Mundartgruppe

 

 

 

„Mie Meinerküser

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerungen

 

an die Kriegsjahre

 

1939 – 1945

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erlebt und aufgeschrieben

 

von Wilhelm Schäfer

 

April 2012

 

 

 

Mundartgruppe

 

 

 

„Mie Meinerküser“

 

 

 

 

 

www.mundartgruppe.jimdo.com

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als der zweite Weltkrieg im Jahre 1939 begann, war ich erst 3 ½ Jahre alt. Mein Vater musste gleich am Anfang des Krieges zum Militärdienst einrücken. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern. Zusammen mit Georg Paar wurde mein Vater von Georg Paar sen. mit einem Einspänner nach Korbach zum einem Sammeltransport gebracht. Unsere Familie stand vor dem Haus und hat sich verabschiedet.

 

Noch im Jahre 1939 bekamen wir in Meineringhausen Einquartierung, und zwar aus dem Saarland. Das waren so genannte Rückgeführte, die das westliche Grenzgebiet nach Frankreich verlassen mussten. Zu uns kamen zwei junge Mädchen, die im Haushalt und in der Landwirtschaft tätig waren. Im September 1940 konnten sie wieder zurück in ihre Heimat.

 

 

 

Auch als Kind bekam man schon mit, wie der Krieg das Leben veränderte. Abends mussten alle Fenster verdunkelt werden. Es gab nicht mehr alles zu kaufen, für die meisten Waren musste man Lebensmittelkarten oder Bezugsscheine haben. Die Bauern waren Selbstversorger, weil sie viele Lebensmittel selber erzeugten. Knapp war vor allem Zucker, man half sich dadurch, dass man als Zuckerersatz Zuckerrübenhonig nahm, den man selber hergestellt hatte.

 

Zur Honiggewinnung wurden immer ein paar Reihen Zuckerrüben angebaut. Weil die Zuckerrüben sehr tief in der Erde steckten, mussten sie mit einer speziellen Gabel ausgehoben werden. Die Rüben wurden in einem Trog mit Wasser übergossen, mit einem abgenutzten Reiserbesen „gestumpet“, man versuchte so, die gröbsten Erdreste zu entfernen. Dann wurde jede einzelne Rübe mit dem Messer „geschrappt“, bis auch das letzte Krümelchen Erde entfernt war. Diese Arbeit war sehr aufwändig, meistens halfen die Nachbarn dabei. Man saß in einer gemütlichen Runde in der Küche und „schrappte“ die Rüben.

 

Danach wurden die Rüben mit einem Hackmesser oder wenn vorhanden, mit der Dickwurzelmühle zerkleinert und im Waschkessel gar gekocht. Dann füllte man die heißen Rüben in einen Sack, in einer speziellen Presse wurde der Saft ausgepresst. Der ausgepresste Saft kam wieder in den Waschkessel und wurde so lange gekocht, bis die Flüssigkeit so steif war, dass sie sich schmieren ließ. Das war dann der köstliche Honig, der als Brotaufstrich und zum Süßen verwandt wurde. Beim Honigkochen machte man sich oft den Spaß und schickte die Kinder nach Gärtners (Gärtnerei Krummel), um die „gläserne Leiter“ zu holen, mit der man in den Kessel steigen wollte, um den Honig auszufüllen. Weil Zucker Mangelware war, hat man auch den Kuchen mit Honig gesüßt, der Kuchen hatte dann immer eine leicht bräunliche Farbe.

 

Süßigkeiten für die Kinder waren selten zu bekommen, man bekam sie auch nur gegen eine Zuckermarke aus der Lebensmittelkarte. Aber irgendwann hatte ich entdeckt, wo die kleinen Mengen Zucker, die man auf Lebensmittelkarten bekam, in unserem Hause versteckt waren. Immer, wenn ich mich unbeobachtet fühlte, naschte ich davon. Am Ende fehlten 100 Gramm Zucker. Das Schimpfen meiner Großmutter klingt mir noch in den Ohren.

 

 

 

Auch Seife war in den Kriegsjahren knapp. Man versuchte aus Biestmilch, Fettresten und Seifenstein selbst Seife herzustellen. Dazu wurden die genannten Zutaten zum Kochen gebracht. Durch die ätzende Wirkung des Seifensteins waren alle festen Bestandteile vollkommen aufgelöst. Diese flüssige Masse gab man in eine Form und ließ sie abkühlen. Das gab dann eine etwas seltsam riechende Kernseife.

 

Obwohl in Meineringhausen 2 Kaufmannsläden vorhanden waren, konnte man längst nicht alles kaufen, wie es heute üblich ist. Jeder Haushalt hatte einen Garten, in dem für die Selbstversorgung Kartoffeln, Obst und Gemüse angebaut wurden. Nach Kriegsende 1945, als viele aus den Ostgebieten vertriebene Menschen in unserm Dorf angesiedelt wurden, hat die Gemeinde das Landstück, auf dem jetzt die Landmaschinen-Firma Kalhöfer ihr Betriebsgelände hat, als Gartenland ausgewiesen und in Einzelparzellen verpachtet. Die geernteten Früchte mussten natürlich zum Teil haltbar gemacht werden, damit man das ganze Jahr darauf zurückgreifen konnte. Aus Stachelbeeren, Johannesbeeren, Erdbeeren und Kirschen stellte man selbst Marmelade her, aus Äpfeln entstand der Apfelgelee. Pflaumen hat man zu Pflaumenmus verarbeitet. Eine weitere Konservierungsart war das Dörren. Reife Früchte wurden je nach Größe in Scheiben geschnitten und bei geringer Wärmezufuhr langsam getrocknet, das geschah meistens auf dem Hausboden auf ganz natürliche Weise.

 

Aus Weißkraut stellte man Sauerkraut her. Im Ort gab es einen großen Krauthobel, nach Vorbestellung konnte man diesen benutzen. Dem gehobelten Kraut hat man reichlich Salz zugesetzt, das Ganze hat man in einem großen Holz-oder Tongefäß gestampft und dann mit einem durch Ziegelsteine beschwerten Deckel luftdicht abgeschlossen. Der Topf blieb etwa 14 Tage in einem warmen Raum stehen, dann kam er in den Keller, nach weiteren 2 Wochen konnte man das Sauerkraut probieren, ob es schon genügend gesäuert hat.

 

Viele Gartenerzeugnisse hat man eingekocht. Einkochgläser wurden gefüllt, mit Gummiring und Deckel versehen, dann kamen die Gläser in den großen Einkochtopf, der auf dem Küchenherd erhitzt wurde. Im Deckel des Topfes war ein Loch für ein riesiges Thermometer, darauf konnte man die Temperatur ablesen, welche für die verschiedenen Früchte unterschiedlich war. Durch das Kochen waren die Gläser fest verschlossen.

 

All diese beschriebenen selbst hergestellten Lebensmittel konnte man im Dorfladen nicht kaufen, vielleicht einiges in Korbach im Feinkostgeschäft.

 

Im Dorf war man darauf angewiesen, dass man die im Garten erzeugten Lebensmittel haltbar machte, damit man das ganze Jahr darauf zurückgreifen konnte.

 

Man muss bedenken, dass das Einfrieren von Lebensmitteln noch nicht möglich war, auch Kühlschränke gab es noch nicht. Alles, was heute im Kühlschrank aufbewahrt wird, stellte man in den Keller. Die erste Gefrieranlage wurde ca. 1955 gebaut, es war eine Karussellanlage der Firma Linde. Der Standort war an der Walme zwischen den Gebäuden von Georg Paar und Seifahrt (Jetzt Steinberg). Durch diese Anlagen war es möglich, größere Mengen Fleisch und Gemüse für längere Zeit haltbar zu machen. Dieses Gefrierhaus wurde später zu Garagen umgebaut. Weil noch weiterer Bedarf vorhanden war, wurde 1962 im ehemaligen Schützenhaus an der Sachsenhäuser Straße (früher Hauptstraße) eine weitere Gefrieranlage eingerichtet.

 

Im Gebäude waren 42 Gefrierfächer, 4 Vorfrostfächer und ein Kühlraum, der vielfältig genutzt werden konnte, untergebracht. Die Anlage von der Firma Linde lief über 35 Jahre zur vollsten Zufriedenheit aller Mitglieder. Nachdem ab 1990 immer mehr Mitglieder eine eigene Gefriertruhe im Haus hatten, lohnte sich der Betrieb der Anlage nicht mehr. Das Gebäude, welches auf dem inzwischen von Wilhelm Schäfer erworbenen Grundstück stand, wurde im Jahre 2000 abgerissen.

 

 

 

Alles, was in den Kriegsjahren in der Landwirtschaft geerntet wurde, unterlag der amtlichen Kontrolle. Beim „Maschinen“ (dreschen) war ein amtlicher Wieger dabei und stellte das Gewicht des gedroschenen Getreides fest. Dann wurde festgelegt, was man abliefern musste. Als Kraftfutter für das Vieh blieb dann nicht viel übrig. Die Folge davon war, dass die Zunahme bei den Schweinen und die Milchleistung bei den Kühen schlecht waren. Auch die Keller wurden kontrolliert und man bekam Bescheid, welche Mengen man von den eingelagerten Kartoffeln noch abgeben musste.

 

Fast alle Bauern hatten noch eine Zentrifuge und ein Butterfass, damit konnte man selber Butter herstellen. Um sicher zu stellen, dass die gesamte Milch abgeliefert wurde und man keine Butter für den Eigenbedarf herstellte, wurden wichtige Teile von der Zentrifuge eingesammelt, mit Namen versehen und auf dem Dachboden der Schule eingelagert.

 

Nach Kriegsende sind Werner Graß und ich (Willi Schäfer) heimlich auf den Schulboden geschlichen und haben unsere Teile wieder geholt. Nun konnten wir wieder selber Butter herstellen.

 

Weil die meisten Männer aus dem Dorf zum Militärdienst eingezogen waren, wurden den Bauern französische Kriegsgefangene zugeteilt. Die Gefangenen waren im Pastorenhause untergebracht. Sie wurden morgens von Wachpersonal zu den Familien gebracht und abends wieder abgeholt.

 

Die französischen Gefangenen bekamen Päckchen aus ihrer Heimat, die mitunter auch Schokolade enthielten. Davon bekamen wir Kinder manchmal etwas ab, das war für uns etwas ganz Besonderes, denn Schokolade gab es in Deutschland nicht zu kaufen.

 

Die Franzosen wurden später durch russische Kriegsgefangene abgelöst. Im Stöcker wurden zwei Baracken errichtet, eine große für die Gefangenen und eine kleinere für das Wachpersonal. Auch die russischen Gefangenen wurden jeden Morgen zu den Bauern gebracht und abends wieder abgeholt. Später durften die Gefangenen auch bei den Bauern wohnen. Die Baracken im Stöcker wurden nach Kriegsende noch jahrelang als Wohnraum vermietet.

 

Bei uns (Wilhelm Schäfer) war der Peter als russischer Kriegsgefangener. Abends trafen sich die russischen Gefangenen oft bei uns in der Waschküche. Ich ging dann mit einer Milchkanne zum Gastwirt Kalhöfers und holte Bier. Unser Peter war ein sehr lieber Mensch. Ich kann mich erinnern, dass er aus Holz Häkelnadeln schnitzte und wunderschöne kleine Tischdecken und Topflappen häkelte.

 

Mein Vater war inzwischen in der Ukraine als Sonderführer eingesetzt, er hatte die Aufsicht über 72 000 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Selten kam er auf Urlaub nach Hause, dann war er tagelang mit der Eisenbahn unterwegs. Gespannt hörte die ganze Familie zu, wenn mein Vater von dem riesigen Land Russland und von den großen Sonnenblumenfeldern erzählte. Sehr nachdenklich wurde er, wenn er über einen Vorfall berichtete, der ihm fast das Leben gekostet hätte. Mit anderen Soldaten hatte er sich zu einem Ausritt verabredet. Weil er sich vorher noch die Haare schneiden ließ, hatte er sich verspätet, die anderen waren schon vorausgeritten und wurden alle von Partisanen umgebracht.

 

Mit den russischen Kriegsgefangenen in Meineringhausen konnte sich mein Vater auf Russisch unterhalten. Er kannte sogar das Dorf eines der Gefangenen. Mehrfach nahm er Briefe für die Angehörigen mit, was eigentlich streng verboten war.

 

 

 

In den Jahren ab 1943 gab es immer öfter Fliegeralarm. Die Korbacher Sirenen konnte man in Meineringhausen hören. Bei Alarm ging die ganze Familie in den Keller. Einen Koffer mit allen wichtigen Papieren nahm man mit in den Keller.

 

Zwischen den Bauernhöfen Hamel und Meyer wurde ein Lastwagen der Lebensmittelgroßhandlung Neuhaus aus Korbach von Flugzeugen angegriffen und beschädigt. Mein Opa war 100 Meter entfernt im „Siegen“ mit Pferden beim Ackern. Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und hat weiter geackert. Sein Kommentar: Der Teufel wollte mich noch nicht. Mein Opa war, wie er sagte, ein Antinazi. Er schimpfte oft über Hitler, das hätte ihn Kopf und Kragen kosten können. Der Name Hitler kam ihm nicht über die Lippen, er nannte ihn immer den „Österreicher“.

 

 

 

Im Laufe des Krieges wurden Benzin und Diesel knapp, und so wurden viele Fahrzeuge mit einem Holzvergaser ausgestattet. Auch der Trecker von Wilhelm und Heinrich Schlömer aus Korbach, die in Meineringhausen die Milch zur Molkerei in Korbach fuhren, war als Holzvergaser umgebaut. Vorne vor der Haube des Treckers wurde ein großer runder Kessel angebracht, der mit ganz klein gehacktem Holz beheizt wurde. Der Kessel musste rechtzeitig angeheizt werden und man konnte dann mit Holzgas fahren. Diese Fahrzeuge hatten nicht so eine Kraft wie die Dieselfahrzeuge, am Melm gab’s schon mal Schwierigkeiten, dann musste man anhalten und nachheizen.

 

 

 

Weil die deutsche Wehrmacht immer mehr Pferde brauchte, mussten viele Bauern ihre Pferde abgeben, so auch wir (Wilhelm Schäfer, Kutschers). Als Ersatz bekamen wir zwei Ochsen als Zugtiere für die Landwirtschaft. Wenn die Ochsen mal richtig arbeiten und ziehen mussten, legten sie sich einfach hin. Was hat mein Opa da geschimpft.

 

 

 

Unser Volksschullehrer Schulze war sehr streng und benutzte auch schon mal den Stock. Aber die Kinder haben viel bei ihm gelernt. Wenn wir morgens in den Klassenraum kamen, mussten wir zum Morgengruß „Heil Hitler“ sagen und die rechte Hand heben. Als Schulkinder mussten wir auch Altmaterial sowie Heilkräuter sammeln. Im Jahr 1944 wurden 75 kg getrocknete Kamille, Schafsgarbe, Gänsefingerkraut, Brennnesseln, Gänseblümchen, Himbeer- und Brombeerblätter gesammelt. Ferner wurden 2 ½ Zentner Tollkirschenwurzeln und 5 ½ Zentner Vogelbeeren abgeliefert. Die Heilkräuter musste man zu Hause trocknen und dann in der Schule abliefern. Auch auf dem Dachboden der Schule wurden Heilkräuter zum Trocknen ausgelegt.

 

 

 

In den Schulferien war ich oft in Buhlen bei unseren Verwandten, dort war ein so genannter Fesselballon zu sehen. Solche Ballons waren rund um die Edertalsperre mit Wachpersonal stationiert. Bei Fliegeralarm wurden die Ballons mit Gas gefüllt und hochgelassen, sie sollten die feindlichen Flugzeuge beim Anflug zur Sperrmauer behindern. Geholfen hat das wenig, denn in der Nacht vom

 

16. auf den 17. April 1943 wurde die Edertalsperre von englischen Flugzeugen angegriffen und schwer beschädigt. Weil der Wasserstand im Edersee sehr hoch war, haben die gewaltigen Wassermassen großen Schaden angerichtet. Viele Menschen, die vom Wasser überrascht wurden, kamen ums Leben. Ich kann mich erinnern, dass tagelang totes Vieh mit Lastwagen zur Abdeckerei nach Korbach gefahren wurde. Einige Zeit später war ich mit meiner Mutter in Affoldern und habe die schlimmen Verwüstungen gesehen.

 

 

 

In Erinnerung geblieben ist mir auch der Luftangriff auf Kassel am 21. Oktober 1943. Der Himmel über Kassel war von den großen Bränden so hell erleuchtet, dass man dieses bis nach Meineringhausen sehen konnte. In wenigen Stunden war Kassel ein riesiger Trümmerhaufen. Als Folge davon kamen immer mehr Ausgebombte, vor allem aus Kassel, nach Meineringhausen. Dadurch wurde die Zahl der Schulkinder immer größer.

 

 

 

Am 22. April 1944 spielte sich über Meineringhausen ein Luftkampf ab. Sechs Flugzeuge wurden abgeschossen, fünf deutsche und ein englisches Flugzeug. Sie gingen alle außerhalb des Dorfes nieder, so dass es keine Schäden gab. Einige Flugzeuge waren nur beschädigt und notgelandet. Das war für uns Kinder ein ganz besonderes Ereignis. Mein Vater war gerade auf Urlaub und war mit den Pferden auf der Stejjeräupe. Ich sehe noch vor mir, wie er mit Pferden und Wagen in vollem Galopp die Straße herauf kam und in die offen stehende Scheune fuhr.

 

Auch Hamels Reinhard kam mit einem großen Schrecken davon, er war auf dem Pfaffental mit den Pferden beim Ackern. Als er merkte, dass über Meineringhausen ein Luftkampf im Gange war, spannte er die Pferde vor den Wagen und fuhr im vollen Galopp nach Hause. Kurz vor dem Dorf, etwa an der Linde, wurde sein Wagen von einer Kugel getroffen. Reinhard Hamel blieb unverletzt, er sprang vom Wagen und nahm im Graben volle Deckung. Die Pferde fanden den Weg allein nach Hause. Reinhard ging, als es wieder ruhig war, zu Fuß nach Hause.

 

Am 5. Oktober 1944 wurden über Korbach Bomben abgeworfen. 45 Familien wurden obdachlos. Ziel des Angriffs waren die Conti Werke, aber getroffen wurde vorwiegend das benachbarte Gebäude des VEW.

 

Die Reiherbach-Eisenbahnbrücke bei Selbach wurde am 18. März 1945 am hellen Tage bombardiert. Von Meineringhausen aus konnte man sehen, wie die feindlichen Flugzeuge immer wieder ein Ziel anflogen. Die Brücke wurde dann auch schwer getroffen, sodass kein durchgehender Eisenbahnverkehr mehr möglich war. Auf dem Rückflug haben die Bomber übrig gebliebene Bomben über dem Kesselbusch abgeworfen. Die Bombentrichter sind immer noch zu sehen. Um den Transport kriegswichtiger Güter sicherzustellen, mussten nachts Männer und Kriegsgefangene aus Meineringhausen und den umliegenden Orten, auch mit Pferdegespannen zur Reiherbach, um kriegswichtige Güter umzuladen.

 

Mit Hochdruck wurde ab Juli 1945 damit begonnen, die Brücke wieder herzustellen. Nach dem Ende des Krieges wurde die Brücke fertig gestellt, ab 22. Juli 1946 konnten die Züge wieder durchgehend fahren. Gegen Ende des Krieges gab es in Meineringhausen und auch in anderen Dörfern plötzlich eine große Kartoffelkäferplage. Die Käfer und auch die Kartoffelkäferlarven fraßen in kurzer Zeit ganze Kartoffelschläge kahl. Weil man früher die Kartoffelkäfer in unserer Gegend nicht kannte, wurde angenommen, dass die Amis oder die Engländer die Käfer aus Flugzeugen abgeworfen hatten. Die Käfer verbreiteten sich schlagartig übers ganze Land. Spritzmittel oder Spritzgeräte zum Bekämpfen der Käfer gab es nicht. So blieb nichts anderes übrig, als die Käfer und Larven einzusammeln. Der Termin dazu wurde in gewissen Abständen vom Bürgermeister bekannt gegeben. Aus jeder Familie musste sich eine Person beteiligen. Auch die älteren Schüler mussten sich mit der ganzen Klasse daran beteiligen.

 

In den letzten Kriegsjahren gab es wohl Pläne, im Bereich des Koppelbergs einen unterirdischen Flugplatz zu bauen, dazu ist es nicht mehr gekommen. Wäre dieses Vorhaben zum Tragen gekommen, wäre Meineringhausen auch ein wichtiges Ziel für die feindlichen Bomber geworden. Ob diese Pläne wirklich bestanden oder ob es nur ein Gerücht war, sei dahingestellt.

 

 

 

Die Schule und der Kindergarten mussten im Dezember 1944 geschlossen werden, weil die Wehrmacht die Räume belegte.

 

Fast täglich konnte man riesige feindliche Bomberverbände am Himmel beobachten, welche nach Süddeutschland flogen, um über den Industriestädten ihre verheerende Bombenfracht abzuladen. Fast ungehindert konnten sie unser Gebiet überfliegen, die deutsche Luftwaffe konnte dem nichts mehr entgegensetzen, die Lufthoheit war schon lange verloren gegangen.

 

Im Jahre 1945 kam die Kriegsfront immer näher. Am Ostersamstag hörten wir, wie die amerikanischen Panzer über die Itterstraße in Richtung Korbach rollten. Der Korbacher Bürgermeister Zimmermann fuhr den Panzern mit einer weißen Fahne entgegen, damit hat er die Stadt vor großem Schaden bewahrt.

 

Die Menschen im Dorf waren alle in größter Angst, weil keiner wusste, was geschehen würde. Obwohl ich damals erst neun Jahre alt war, habe ich aus unserer Hakenkreuzfahne das Hakenkreuz herausgeschnitten und sofort im Küchenherd verbrannt. Aus dem Rest von dem roten Stoff hat meine Mutter mir später eine Turnhose genäht.

 

Als wir am Ostersonntagmorgen aus dem Fenster guckten, waren die Amis in Meineringhausen eingerückt. Unsere Nachbarsleute Graß und Höhne und noch andere an der Hauptstraße mussten ihre Wohnungen verlassen, sie wurden von den Amis besetzt. Panzer und andere Fahrzeuge waren im ganzen Dorf verteilt, Geschütze und MG-Stellungen wurden eingegraben. An der Hauptstraße waren MG-Stellungen in der Kiesgrube neben Schären und auf der anderen Straßenseite vor Elfebers Scheune. Bei Christian Köhler auf der Wiese neben dem Haus waren zwei Geschütze in Richtung Melm in Stellung gebracht.

 

Nach dem Einmarsch der Amis am Ostersonntag haben wir uns erst nicht aus dem Haus getraut, aber irgendwann mussten wir dann doch raus und das Vieh versorgen.

 

Viele Häuser wurden von den Amis durchsucht, auch unser Haus. Dabei haben sie unseren selbst gemachten Wein gefunden. Mein Opa musste erst einen Schluck davon trinken, damit sie sicher waren, dass der Wein nicht vergiftet war. Dann haben sie auch davon getrunken. Unseren russischen Kriegsgefangenen Peter haben sie so besoffen gemacht, dass er drei Tage in der Ecke lag. Ein anderer Russe, der bei Köhlers war und Boris hieß, dachte, mein Opa hätte den Peter vergiftet. Der Boris wollte meinen Opa mit dem Messer angreifen, nur mit Mühe konnten wir ihn davon abhalten.

 

Ein Ami hatte in besoffenem Zustand unsere Geldbörse mitgenommen. Am anderen Tag, als er wieder nüchtern war, hat er die Geldbörse zurückgebracht und sich entschuldigt.

 

Wir Kinder hatten recht bald Kontakt mit den Amis und bekamen auch schon mal ein Stück Schokolade. Gegenüber den Menschen im Dorf haben sich die Amis im Großen und Ganzen korrekt verhalten.

 

 

 

Der Einmarsch der Amerikaner hätte fast zu einer Katastrophe für unser Dorf werden können. Ein Luftwaffenoffizier, der bei einer nach Meineringhausen evakuierten Familie auf Urlaub war, wollte mit zurückmarschierenden Soldaten eine Ortsverteidigung organisieren. Er hatte sich in Korbach Panzerfäuste besorgt und erwartete die Amipanzer aus Richtung Vöhl oder Sachsenhausen in der Ermeke. Ein paar ältere Männer aus Meineringhausen hatte der Luftwaffenoffizier Vogt gezwungen, in der Ermeke Schützengräben auszuheben. Als die Amis aber dann von Frankenberg über Itter nach Korbach fuhren, gab er auf und war verschwunden. Ein Glück für Meineringhausen.

 

Während die Amis Meineringhausen besetzt hatten, wurde noch ein einzelnes deutsches Flugzeug abgeschossen. Der Pilot landete mit einem Fallschirm in einem Baum im „Feldgarten“ Das Flugzeug stürzte da ab, wo früher der Sportplatz war. Das ist das Gelände zwischen Lärchenweg und Feldgarten, wo damals noch Grünland war. Der Sportverein hat das Flugzeug später ausgegraben und als Schrott verkauft.

 

 

 

Am 8. Mai 1945 war der Krieg zu Ende. Deutschland hatte kapituliert. Meineringhausen gehörte zur amerikanischen Besatzungszone. Die Schule wurde von den Amerikanern belegt und erst im Herbst 1945 wieder für den Unterricht freigegeben.

 

Die politischen Leiter aus dem Dorf wurden verhaftet und in die Internierungslager in Darmstadt und Ludwigsburg gebracht. Auch unser Lehrer Schulze wurde interniert. Mein Opa musste zweimal nach Darmstadt reisen, um für die dort auch internierten Meineringhäuser Bürger Heinrich Bracht III (unser Nachbar) und Heinrich Isenberg (Kaufmann und NSDAP Ortsgruppenleiter) vor der Spruchkammer als Zeuge der Verteidigung auszusagen.

 

 

 

Die wirtschaftliche Lage war sehr schlecht. Es fehlte an Lebensmitteln, Kleidung, Brennstoffen und allem

 

Möglichen. Lebensmittel gab es immer noch nur auf Lebensmittelkarten. Die Viehbestände der Landwirte waren wegen der Zwangsablieferungen auf einem niedrigen Stand, zudem fehlte es an Kraftfutter für das Vieh.

 

Polnische Zwangsarbeiter, die in Korbach in der Kolonie untergebracht waren, machten die Gegend unsicher. Sie unternahmen Raubzüge und Überfälle.  Es verging kaum eine Woche, in der nicht nachts irgendwo eingebrochen wurde. Lebensmittel, Kleidungsstücke, Radios, Fahrräder usw. wurden entwendet. Ganze Räucherkammern wurden ausgeräubert. Selbst Schweine wurden in den Ställen abgeschlachtet und mitgenommen. Selten konnten die Diebe ermittelt werden. Im Ort wurden Nachtwachen aufgestellt, um sich dagegen zu schützen. Das war natürlich schwierig, denn man hatte keine Waffen.

 

 

 

1945 gab es die Dorfstraßen Lärchenweg, Fliederweg und Feldgarten noch nicht. Von Christian Köhler (jetzt Walter Köhler) bis an die jetzige Hainstraße und auf der anderen Seite bis nach Striekers (Müllers) Wilhelm, jetzt Horst Graß, war die ganze Fläche noch Grünland. Auf diesen Wiesen standen viele Ami-Fahrzeuge. Bei Graßes Wilhelm hatten die Amis ein Motorrad entdeckt, damit sind sie solange über eine Wippe gefahren, bis das Motorrad defekt war.

 

Bei einem Jeep hatten die Amis das Lenkrad so festgebunden, dass er den ganzen Tag ohne Fahrer im Kreis fuhr. Für uns Kinder gab es immer etwas zu sehen.

 

 

 

Die russischen Kriegsgefangenen, die im Dorf bei den Bauern arbeiteten, waren mit dem Einmarsch der Amis frei. Sie blieben aber noch in Meineringhausen. Auf Hof Lauterbach, wo auch damals eine Schnapsbrennerei war, haben die Russen geplündert. Mit großen Milchkannen holten sie den Sprit, der einen Alkoholgehalt von 96 % hatte. Die Folge war, dass sie tagelang besoffen waren. So war es auch bei dem Russen, der bei Vagieners war. Im besoffenen Koppe fing er an zu randalieren. Vagieners Martha holte Schosterjaustes Heinrich und seinen Vater zu Hilfe. Schosterjaustes Opa schlug dem Russen mit einem Schwengel vor den Kopf. Die Lage wurde sehr gefährlich, die Russen rotteten sich zusammen und waren gewaltbereit. Sie hielten auch einen amerikanischen Militärlastwagen an, der mit zwei Negern besetzt war. Die Russen versuchten, den Amis auf Russisch klarzumachen, dass im Dorf Banditen wären. Verstanden haben die Amis kein Wort, aber sie haben den Vorfall weitergemeldet. Im Dorf wurde die Lage immer gefährlicher. Die älteren Männer, die nicht eingezogen waren, kamen zusammen, bewaffneten sich mit Grabeschaufeln und Mistgabeln und machten Jagd auf die Russen. Manche Russen haben sich versteckt, andere flüchteten bis nach Korbach, wo auf dem Conti Gelände ein Auffanglager für Russen war. Schosterjaustes Heinrich und sein Vater mussten sich danach tagelang verstecken, weil die Russen beiden nach dem Leben trachteten. In der Nacht nach diesem Vorfall kamen die Amis wieder ins Dorf und durchsuchten viele Häuser. Sie zogen aber bald wieder ab, weil sie nichts Verdächtiges gefunden hatten.

 

Ein Russe, der bei Bäckerkristes gearbeitet hatte, kam noch einmal zurück und hat sich bei Bäckerkristes einen schwarzen Anzug und einen Zylinder geholt. Dann nahm er vom Gutshof den Reitgaul und jagte im Galopp durchs Dorf. Später wurde erzählt, dass in Korbach im Russenlager die eigenen Leute ihm auf einem Holzklotz den Kopf abgeschlagen hätten.

 

 

 

Die Sicherheitslage war zu dieser Zeit sehr schlecht, weil sich viele zwielichtige Gestalten in der Gegend aufhielten. Das mussten wir auch erfahren. Wir hackten die Futterrüben auf der Steggereupe und hatten 2 Fahrräder an einer dort stehenden Hecke abgestellt. Als wir abends wieder nach Hause fahren wollten, waren unsere Fahrräder gestohlen. Einige Zeit später wurden uns nochmal 2 Fahrräder gestohlen, und zwar von einem jungen Mann, der bei uns wohnte und verköstigt wurde und dafür uns bei den landwirtschaftlichen Arbeiten half.

 

Auf der Straße durch Meineringhausen bewegten sich viele Menschen, die zumeist aus den deutschen Ostgebieten vor der herannahenden russischen Armee geflüchtet waren und schon viele Wochen unterwegs waren. Mit Fahrrädern, zu Fuß, mit Handwagen oder auch vereinzelt mit Pferdegespann und Wagen versuchten diese Menschen, die nur das Allernotwendigste mitführen konnten, irgendein Ziel zu erreichen.

 

 

 

In Käkannes (Vallbracht) Scheune stand ein defekter Lastwagen der Wehrmacht, der mit allerhand Ausrüstungsgegenständen für die Soldaten wie Gasmasken, Koppel, Pistolen- und Patronentaschen, Feldgeschirren usw. beladen war. Das war für uns Jungen von der Hauptstraße ein Paradies. Immer wieder sind wir heimlich in die Scheune gegangen und haben uns Sachen geholt. Natürlich mussten wir höllisch aufpassen, dass wir von den Amis, die im Dorf waren, nicht erwischt wurden. Wir Kinder hatten ja wegen der langen Kriegsjahre kaum Spielsachen.

 

Die Schule wurde von den Amis im Herbst 1945 freigegeben. Der Schulunterricht fing am 1.11.1945 wieder an mit dem aus Schlesien stammenden Oberstudienrat Dr. Behlen und seiner Tochter, Frau Göpel, die als Schulhelferin eingestellt wurde. Die Schülerzahl war auf über 100 angewachsen.

 

Unser Lehrer Schulze war inzwischen entnazifiziert und als Mitläufer eingestuft. Er bezahlte eine Geldbuße von 1400 RM und wurde am 1.11.1946 wieder als Lehrer eingestellt. Die Schülerzahl war inzwischen auf 135 angestiegen.

 

 

 

Ins Dorf kamen viele Heimatvertriebene aus den deutschen Ostgebieten und wurden bei Meineringhäuser Familien untergebracht. Bei uns war Frau Heichel mit ihren beiden Töchtern einquartiert. Sie nutzten 2 Zimmer, einen Wasseranschluss gab es in diesen Räumen nicht. Wasser mussten Heichels bei uns in der Küche zapfen und im Eimer über die Treppe hochtragen. Ein Zimmer war mit einem kleinen Ofen zu beheizen, auf dem Ofen wurde auch gekocht. Weil bei uns nur eine Toilette vorhanden war, mussten Heichels auch unser draußen stehendes Klo-Häuschen benutzen. An einen besonderen Vorfall kann ich mich erinnern. Als Heichels Leni (jetzt Helene Schäfer) eines Morgens den Ofen anheizen wollte, schüttete Leni aus einer Flasche Benzin auf das Holz, dabei fing die Flasche Feuer. Geistesgegenwärtig nahm sie die Flasche, rannte die Treppe runter und warf sie in den Garten. Wir saßen zu diesem Zeitpunkt am Frühstückstisch und hörten im Flur ein seltsames Rauschen, welches von der brennenden Flasche herrührte, die mit großer Geschwindigkeit die Treppe hinunter transportiert wurde. Der Schrecken war groß, es war noch mal gut ausgegangen, bis auf ein paar schwarze Flecken an der Flurwand war nichts passiert.

 

 

 

1946 war die wirtschaftliche Lage noch sehr schlecht. Es fehlte an Lebensmitteln, Kleidung, Brennstoffen und allem Möglichen. Die Bewohner aus den großen Städten unternahmen Hamsterfahrten auf die Dörfer, um Lebensmittel einzutauschen. Die Versorgung der Stadtbevölkerung mit Lebensmitteln war lange Zeit sehr schlecht. Deshalb kamen die Menschen massenweise mit der Eisenbahn auf die Dörfer und versuchten, allerlei brauchbare Gegenstände und Kleingeräte gegen Lebensmittel einzutauschen. Viele Stadtbewohner erinnerten sich wieder an ihre weitläufige Verwandtschaft auf dem Land, um von ihnen etwas zum Überleben zu bekommen. Der Schwarzhandel blühte an allen Ecken, obwohl diese Art von Handel streng verboten war. Es gab oft Kontrollen, wer erwischt wurde, musste mit Strafe rechnen, die Tauschware wurde beschlagnahmt. Für Geld, wovon genug vorhanden war, konnte man nichts kaufen. Die gängige Währung war Butter, Speck oder Ähnliches.

 

Als die polnischen Zwangsarbeiter Korbach verlassen hatten, wurde es wieder ruhig und sicher im Lande. Wirtschaftlich ging es langsam, aber stetig bergauf.

 

Wir selbst und auch alle, die in den Dörfern lebten, haben nicht hungern müssen, denn jeder hatte einen Nutzgarten, aber nicht mit überwiegend Rasen und Blumen wie heutzutage. Im Garten wurden Kartoffeln, Gemüse, Erbsen, Bohnen und vieles andere, was man zum Essen brauchte, angebaut, und man hat natürlich auch ein Schwein geschlachtet. Wir selbst hatten vor dem Wohnhaus zur Straße hin einen großen Garten. Außerdem wurde im Feld, zwischen den Futterrüben, eine ansehnliche Fläche für Gemüse, Möhren und Kohlraben freigehalten

 

1945 kehrte mein Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Nachdem die deutsche Wehrmacht in Russland auf dem Rückzug war, wurde mein Vater wieder als Frontsoldat eingesetzt und erlitt eine Verwundung. Bei Kriegsende geriet er in Gefangenschaft und überlebte die berüchtigten Gefangenenlager auf den Rheinwiesen. Lange Zeit wussten wir nicht, ob er noch lebte oder wo er sich befand. Dann kam eines Tages die erlösende Nachricht, dass er auf einem Transport von Gießen nach Korbach sei und entlassen wurde. Meine Mutter, ich und meine Schwester Margret machten uns zu Fuß auf den Weg nach Korbach. Als wir bei Greben Scheune angekommen waren, kam uns ein Pferdefuhrwerk entgegen, auf dem unser Vater und Karl Walter, der Schwiegersohn von Stellmacher Hankel, saßen. Die Freude über die Rückkehr unseres Vaters war unbeschreiblich, so etwas kann man mit Worten nicht ausdrücken. Mein Vater war in einigermaßen guter Verfassung, so dass wir den restlichen Weg nach Meineringhausen zu Fuß zurücklegen konnten. Ich hatte schon lange vorher einige Zigaretten gesammelt, die ich von amerikanischen Soldaten erhalten hatte. Über Wochen und Monate hatte ich diese im Schlafzimmer unter der Wäsche versteckt. Ich wollte sie meinem Vater bei seiner Rückkehr, auf die wir so sehr hofften, schenken. Das habe ich auch getan, sofort nach der Begrüßung bei Greben Scheune habe ich ihm die Zigaretten gegeben.

 

Der Transport von Gießen nach Korbach wurde mit offenen Lastwagen mit hohen Bordwänden durchgeführt. Wie uns mein Vater erzählte, waren die Lastwagen ohne Sitzgelegenheit und wurden von Negern gefahren. Die Soldaten standen dicht an dicht und hatten kurz vor der Entlassung in ihre Heimatorte noch mal Todesangst, weil die Neger ein lebensgefährliches Tempo gefahren sind und nur dadurch, dass sich alle auf der Ladefläche immer mit in die Kurve gelegt haben, ist man heil in Korbach angekommen.

 

Nach einer gewissen Erholungsphase führte mein Vater unseren landwirtschaftlichen Betrieb wieder fort.

 

 

 

Rückblickend auf meine Jugend in den Kriegs-und Nachkriegsjahren muss ich sagen, trotz aller Entbehrungen haben wir uns wohl gefühlt. Wir besaßen nicht solche Berge von Spielsachen, wie das heute üblich ist. Wir waren kreativ, wir haben uns gemeinsam Spielsachen gebaut und Spiele ausgedacht, wir waren nicht durch Fernsehen, Computer usw. abgelenkt und vereinnahmt.

 

 

 

Erinnerungen an die Kriegsjahre 1939 bis 1945