Erinnerungen

 

eines 80-Jährigen

 

 

 

 

 

Aufgeschrieben im Juli 2016

 

 

von Wilhelm Schäfer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geboren bin ich im Jahr 1936, folglich habe ich im Jahr 2016 das 80. Lebensjahr erreicht. Diese Jahrzehnte, die ich bis jetzt erleben durfte, waren eine Zeit von gewaltigen Veränderungen in vielerlei Hinsicht. Ich möchte im folgenden Bericht festhalten, wie sich das Leben im Dorf, aber auch in unserem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb so darstellte. Diese Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich möchte festhalten, was mir in Erinnerung geblieben ist.

 

Meine ersten Erinnerungen beginnen 1939, als ich 3 Jahre alt war. Mit Beginn des 2. Weltkrieges musste mein Vater zum Militärdienst. Mein Vater verwaltete die Gemeindekasse, diese wurde an Heinrich Jungermann übergeben. Georg Paar sen. fuhr seinen Sohn und meinen Vater mit einem Einspänner zum Sammeltransport nach Korbach. Der Abschied vor unserem Haus ist mir bis heute in Erinnerung geblieben.

 

Ab sofort mussten mein Großvater und meine Mutter die Landwirtschaft allein bewältigen. Als Tierbestand waren neben 2 Zugpferden 6 Kühe, 4 Rinder und etwa 8 bis 10 Schweine vorhanden.

 

Noch im Jahre 1939 bekamen wir in Meineringhausen Einquartierung, und zwar aus dem Saarland. Das waren so genannte Rückgeführte, die das westliche Grenzgebiet nach Frankreich verlassen mussten. Zu uns kamen zwei junge Mädchen, die im Haushalt und in der Landwirtschaft tätig waren. Im September 1940 konnten sie wieder zurück in ihre Heimat.

 

Auch als Kind bekam man schon mit, wie der Krieg das Leben veränderte. Abends mussten alle Fenster verdunkelt werden. Es gab nicht mehr alles zu kaufen, für die meisten Waren musste man Lebensmittelkarten oder Bezugsscheine haben. Die Bauern waren so genannte Selbstversorger, weil sie viele Lebensmittel selbst erzeugten. Der Großteil der Bevölkerung wurde als Normalverbraucher bezeichnet, entsprechend waren auch die ausgegebenen Lebensmittelkarten. Schwerarbeiter bekamen zusätzliche Rationen zugeteilt. Schuhe waren nur mit einem Bezugsschein zu bekommen. Auch Textilien waren Mangelware. Da waren Frauen gut dran, die nähen konnten. Aus Stoffresten wurde so manches Kleidungsstück für die Kinder genäht. Es war bestimmt nicht modisch, aber man hatte was zum Anziehen, Not macht eben erfinderisch.

 

Alles, was in der Landwirtschaft geerntet wurde, unterlag der amtlichen Kontrolle. Beim „Maschinen“ (dreschen des Getreides auf der Scheune) war ein amtlicher Wieger dabei und stellte das Gewicht des gedroschenen Getreides fest. Dann wurde festgelegt, was man abliefern musste. Als Kraftfutter für das Vieh blieb dann nicht viel übrig. Die Folge davon war, dass die Zunahmen bei den Schweinen und die Milchleistung bei den Kühen schlecht waren. Auch die Keller wurden kontrolliert und man bekam Bescheid, was man von den Kartoffeln noch abgeben musste.

 

Fast alle Bauern hatten noch eine Zentrifuge und ein Butterfass, damit konnte man selber Butter herstellen. Um sicherzustellen, dass die gesamte Milch abgeliefert wurde und man keine Butter für den Eigenbedarf herstellte, wurden wichtige Teile von der Zentrifuge eingesammelt, mit Namen versehen und auf dem Dachboden der Schule eingelagert.

 

Nach Kriegsende sind Werner Graß und ich (Willi Schäfer) heimlich auf den Schulboden geschlichen und haben unsere Teile wieder geholt. Nun konnten wir wieder selber Butter herstellen.

 

Weil die meisten Männer aus dem Dorf zum Militärdienst eingezogen waren, wurden den Bauern französische Kriegsgefangene zugeteilt. Die Gefangenen waren im Pastorenhause untergebracht. Sie wurden morgens von Wachpersonal zu den Familien gebracht und abends wieder abgeholt.

 

Die französischen Gefangenen bekamen Päckchen aus ihrer Heimat, die mitunter auch Schokolade enthielten. Davon bekamen wir Kinder manchmal etwas ab, das war für uns etwas ganz Besonderes, denn Schokolade gab es in Deutschland nicht zu kaufen.

 

Die Franzosen wurden später durch russische Kriegsgefangene abgelöst. Im Stöcker wurden zwei Baracken errichtet, eine große für die Gefangenen und eine kleinere für das Wachpersonal. Auch die russischen Gefangenen wurden jeden Morgen zu den Bauern gebracht und abends wieder abgeholt. Später durften die Gefangenen auch bei den Bauern wohnen. Die Baracken im Stöcker wurden nach Kriegsende noch jahrelang als Wohnraum vermietet.

Bei uns war der russische Kriegsgefangene Peter. Abends trafen sich die russischen Gefangenen oft bei uns in der Waschküche. Ich ging dann mit einer Milchkanne zum Gasthaus Kalhöfer und holte Bier. Unser Peter war ein sehr lieber Mensch. Ich kann mich erinnern, dass er aus Holz Häkelnadeln schnitzte und wunderschöne kleine Tischdecken und Topflappen häkelte.

 

Mein Vater war inzwischen in der Ukraine als Sonderführer eingesetzt, er hatte die Aufsicht über 72 000 Hektar landwirtschaftliche Fläche.

Zu seiner Verfügung standen ein Dolmetscher und ein Kutscher, mit denen war er viel im Lande unterwegs, um die riesige Fläche zu beaufsichtigen. Selten kam er auf Urlaub nach Hause, dann war er tagelang mit der Eisenbahn unterwegs. Gespannt hörte die ganze Familie zu, wenn mein Vater von dem riesigen Land Russland und von den großen Sonnenblumenfeldern erzählte, oder von der Feldbearbeitung. Wenn Treibstoff vorhanden war, wurde gepflügt mit Raupenschleppern und 48 Scharen dahinter. Sehr nachdenklich wurde er, wenn er über einen Vorfall berichtete, der ihm fast das Leben gekostet hätte. Mit anderen Soldaten hatte er sich zu einem Ausritt verabredet. Weil er sich vorher noch die Haare schneiden ließ, hatte er sich verspätet, die anderen waren schon vorausgeritten und wurden alle von Partisanen umgebracht.

 

Mit den russischen Kriegsgefangenen in Meineringhausen konnte sich mein Vater auf Russisch unterhalten. Er kannte sogar das Dorf eines der Gefangenen. Mehrfach nahm er Briefe für die Angehörigen mit, was eigentlich streng verboten war.

 

1940 wurde meine Schwester Margret geboren, ich war zu dem Zeitpunkt 4 Jahre alt. Wenn mein kleines Schwesterchen weinte, sagte ich meiner Mutter: „Trink schnell etwas Milch“, denn ich war der Meinung, dass die getrunkene Milch dem Baby über die Brust meiner Mutter sofort zur Verfügung stand.

 

1942 wurde ich in Meineringhausen eingeschult. Meine Mutter hatte irgendwo eine gebrauchte Zuckertüte aufgetrieben und mit selbst hergestellten Süßigkeiten gefüllt. Zu kaufen gab es in dieser Richtung nichts. Auch Spielsachen waren Mangelware, da wurden die noch gut erhaltenen Spielsachen der Eltern wieder aufbereitet.

Der Lehrer Schulze war sehr streng und benutzte auch schon mal den Stock. Aber die Kinder haben viel bei ihm gelernt. Wenn wir morgens in den Klassenraum kamen, mussten wir zum Morgengruß „Heil Hitler“ sagen und die rechte Hand heben. Als Schulkinder mussten wir auch Altmaterial sowie Heilkräuter wie Kamille, Schafsgarbe, Gänsefingerkraut, Brennnesseln, Gänseblümchen, Himbeer- und Brombeerblätter, Vogelbeeren und Tollkirschenwurzeln sammeln. Die Heilkräuter musste man zu Hause trocknen und dann in der Schule abliefern. Auch auf dem Dachboden der Schule wurden Heilkräuter zum Trocknen ausgelegt.

Der Lehrer Schulze hat uns Kindern das Fahrradfahren verboten, weil er meinte, das Gummi für die Fahrradreifen würde von den Soldaten an der Front nötiger gebraucht.

 

Im Schulgebäude gab es bereits eine Zentralheizung, die mit Koks betrieben wurde. Im Laufe des Krieges stand kein Koks mehr zur Verfügung, sodass mit Holz geheizt werden musste. Das Holz wurde auf der Walme gelagert, dann gespalten, gesägt und mit der Axt in handliche Stücke gehackt. Von den Schulkindern wurde eine lange Kette von der Walme bis zum Schulkeller gebildet, und so wurde das Holz Stück für Stück in den Schulkeller befördert.

Bei Fliegeralarm mussten alle Schulkinder in den Keller der Schule. In Korbach waren Luftschutzsirenen installiert, diese konnte man in Meineringhausen hören oder man nahm das Gebrumm der feindlichen Flugzeuge wahr. Ich kann mich daran erinnern, dass auf der Bahnstrecke eine Lokomotive zerschossen wurde, während wir Schulkinder ängstlich im Schulkeller hockten. Die Zahl der Schulkinder erhöhte sich ständig, weil immer mehr Ausgebombte, vor allem aus Kassel, nach Meineringhausen kamen. Dr. Behlen und Frau Göpel wurden als zusätzliche Lehrkräfte eingesetzt 

Lehrer und Pfarrer waren sehr geachtet im Dorf, wir Kinder hatten Respekt vor ihnen, das ging hin bis zur Angst. Abends machte der Lehrer einen Gang durchs Dorf, wenn er nach 18 Uhr Schulkinder auf der Straße erblickte, gab es am nächsten Morgen in der Schule ein Donnerwetter.

Grundsätzlich wurde der Unterrichtsstoff am nächsten Tag wiederholt, ich hatte dann den Ehrgeiz, den Stoff vom Vortag in jedem Fach einwandfrei wiedergeben zu können, dank meiner guten Nacharbeit.

Ich hatte das Glück, mit Lehrer Schulze einen Lehrer zu haben, dem es auf das Wesentliche ankam. Das war vor allem Deutsch und Rechnen. Jede Woche wurden Diktate geschrieben, was mir sehr viel Freude machte, weil ich fast immer 0 Fehler hatte. Im Fach Rechnen hat uns Lehrer Schulze sehr viel beigebracht, unter anderem auch so genannte Rechenvorteile. Viel Wert wurde, im Gegensatz zu heute, auf Heimatkunde gelegt. In den oberen Klassen unserer Volksschule kannten wir alle Flüsse und Bäche unserer Heimat und konnten sie mit allen Windungen aufzeichnen. Ebenso konnten wir alle Berge und Wälder benennen, die unser Dorf umrahmen. Sogar die Uplandberge oder die Ederberge konnten wir benennen und mit der richtigen Höhenangabe aufzeichnen.

Für Schüler, die zur Mittelschule nach Korbach wechselten, machte sich das gute Grundwissen, welches sie in der Volksschule Meineringhausen erworben hatten, positiv bemerkbar. Lehrer der Mittelschule haben damals mehrfach erklärt, dass Schüler aus Meineringhausen im Grundwissen einfach weiter waren als Schüler aus anderen Orten.

 

Die älteren Schüler mussten auch schon mal während des Unterrichts mit dem Fahrrad nach Korbach fahren und Filme bei der Kreisbildstelle abholen. Als das Radio vom Lehrer Schulze mal kaputt war, haben Werner Graß und ich das Radio mit einer luftbereiften Karre nach Korbach zur Firma Saure gebracht und auch nach der Reparatur wieder abgeholt, und das alles innerhalb der Unterrichtszeit. Wenn der Dachdecker Kesting im Ort ein Dach zu decken hatte, kam er morgens in die Schule und fragte die älteren Schüler, wer am Nachmittag helfen wollte. Der Dachdecker hatte noch keinen Aufzug, die Ziegel mussten mit der Hand auf das Dach befördert werden. Viele Schüler haben das Angebot gerne angenommen, denn es gab eine geringe Entlohnung. Auch der Verwalter des Gutshofes, Herr Emde, hat die Schüler mal angefordert zum Futterrüben (Dickwurzeln) vereinzeln, weil er es wegen Arbeitskräftemangel nicht schaffte.

 

Beim Lesen dieser Zeilen sollte man bedenken, dass es in den Dorfschulen nur eine Lehrkraft gab, die alle Fächer für alle Jahrgänge abdecken musste. Das bedeutete auch, dass in einem Klassenraum mehrere Jahrgänge mit unterschiedlichen Aufgaben beschäftigt werden mussten. Unser Lehrer Schulze hat unterrichtet in den Fächern Deutsch, Rechnen, Zeichnen, Heimatkunde, Erdkunde, Naturkunde, Geschichte, Singen. Natürlich haben die Kinder in der Dorfschule auch Gedichte gelernt und deutsche Volkslieder gesungen. Gemeinsam ging man in die Feldgemarkung, um Gräser, Kräuter und Nutzpflanzen zu bestimmen. Man kann also die Arbeit der Volksschullehrer nicht hoch genug einschätzen. Die heutigen Mittelpunktschulen können an diese Arbeit nicht in vollem Umfang anknüpfen.

Nicht zu vergessen ist, dass die Mädchen in den Dorfschulen durch eine Lehrkraft in Handarbeit unterrichtet wurden. Die Mädchen lernten Stricken, Häkeln, Sticken, Nähen, Flicken, Knöpfe annähen. Alles Tätigkeiten, die in der damaligen Zeit für die Mädchen im späteren Leben sehr wichtig waren.

 

Das Leben im Haus spielte sich fast ausschließlich in der Küche ab. Abends, nach getaner Arbeit, saß man in der Küche zusammen, aber irgendwie war jeder beschäftigt. Meine Mutter hat gestrickt, die Großmutter hat Wolle gesponnen und mein Großvater musste oft Wolle zeisen, das heißt die Wolle schön auseinander ziehen, damit sie sich gut spinnen ließ. Vorher musste die Wolle gekammt werden. Mehrfach sind Werner Graß und ich mit Fahrrädern, schwer bepackt mit Wollsäcken, nach Frankenberg gefahren und haben die Wolle in einem Spezialbetrieb kammen lassen, dabei wurde die Wolle durch große Walzen gleichmäßig auseinander gezogen.

 

In der Küche hatten wir mal ein lustiges Erlebnis. Grundsätzlich war es so, dass die Haustür nicht verschlossen war. Uns bekannte Menschen kamen durch die Waschküche und klopften an der Küchentür oder Besucher kamen durch die unverschlossene Haustür über den Flur in die Küche. An einem Samstag war meine Mutter damit beschäftigt, Kuchen zu backen. Eine recht große Schüssel mit angerührtem Kuchenteig stand auf der Holzkiste. Dann klopfte es an der Küchentür und Opa Eierding kam herein mit den Worten: Ich sei, gewährt mir die Bitte, in euerem Bunde der Fünfte. Großmutter, Großvater, meine Mutter und ich waren in der Küche, also war er der Fünfte. Er wurde gebeten, sich zu setzen. Das tat er auch, er ging rückwärts und setzte sich wie immer auf die Holzkiste. Er hatte nicht bemerkt, dass dort die Teigschüssel stand, er setzte sich voll in den Teig. Sein Kommentar: Och , och dat deudere nix. (das macht nichts). Im Kuhstall hat meine Mutter ihm dann mit einem Messer die Hose abgekratzt. Die Angehörigen von Opa Eierding haben sich gewundert, was er mit seiner Hose gemacht hat, verraten hat er aber nichts.

 

Hier noch eine lustige Begebenheit: Beim Kaufmann Isenberg sollte ich etwas abgeben, meine 4 Jahre jüngere Schwester Margret nahm ich mit. Frau Isenberg hatte gerade Eisenkuchen gebacken und wir bekamen einen großen Eisenkuchen geschenkt. Wieder draußen vor der Tür habe ich ein Stück abgebissen, dann war meine Schwester dran. Ich legte einen Finger quer über den Eisenkuchen und erklärte ihr, bis hier hin darfst du jetzt abbeißen. Sie biss dann so kräftig zu, dass sie meinen Finger mit den Zähnen erwischte, so dass er blutete.

 

Vergleicht man die damalige Zeit mit der heutigen Zeit, stellt man fest, dass die Menschen früher länger und härter gearbeitet haben. Das war in der Landwirtschaft so und auch in allen anderen Berufen.

 

Aber es ging beschaulicher zu, so eine Hetze wie heute kannte man damals nicht. In der Landwirtschaft wurde das Arbeitstempo von den Gespannen bestimmt, also von Pferden und Kühen. Trecker gab es nur ganz wenige.

 

In Meineringhausen gab es damals zwei 2 Kaufmannsläden, Isenbergs und Jägers, später kamen noch Sölzers dazu. Hier konnte man alle wichtigen Lebensmittel kaufen. Jeder Kunde wurde einzeln bedient, Mehl, Zucker und Salz standen in großen Säcken hinter der Theke und wurden in Papiertüten abgewogen. Bei Isenbergs bekam man auch Nägel, Krampen, Stacheldraht und viele Kleinigkeiten, die man so brauchte.

 

Sieht man heute die Müllmengen, die in verschiedenfarbigen Tonnen entsorgt werden, fragt man sich, wie das früher war, als es noch keine Mülltonnen gab. Das war eigentlich ganz einfach: Gartenabfälle kamen auf die Miste. Küchenabfälle und das Abwaschwasser wurden mit den Schweinen verfüttert. Abfallholz wurde im Küchenherd oder im Futterdämpfer verbrannt. Papier brauchte man zum Feuer anzünden. Zeitungen wurden als Toilettenpapier benutzt. Es blieb also gar nicht viel Abfall übrig und der wurde auf die Müllkippe am Mühlenweg gebracht.

 

Hatte die Gemeinde Meineringhausen wichtige Nachrichten zu verkünden, machte der Ortsdiener mit der Schelle auf sich aufmerksam, und an bestimmten Stellen im Dorf hat er die Nachrichten ausgerufen.

 

Im Dorf waren natürlich alle erforderlichen Handwerker ansässig, wie Schmied, Schreiner, Stellmacher, Schuhmacher, Dachdecker, Schneider.

Es gab 2 Schmiede in Meineringhausen, Fritz Schäfer (Schmedds) und Fritz Kesting, der auch eine Gastwirtschaft betrieb. Später kam noch Karl Schäfer (Schmeddes) hinzu. Die Schmiede waren immer gut beschäftigt, sie schärften die Pflugschare für die Landwirte und führten alle möglichen Reparaturen durch, eben alles, was mit Metall zu tun hatte. Auch das Beschlagen der Zugtiere war Aufgabe eines Schmiedes, auf diesem Gebiet war Fritz Schäfer ein Experte. Auch das Schärfen der Schare war eine Wissenschaft für sich. Es kam auf das richtige Härten an, damit die Schärfe bei der Pflugarbeit lange erhalten blieb. In der arbeitsärmeren Zeit im Winter trafen sich die Landwirte oft in der Schmiede und tauschten Neuigkeiten aus.

Die Schreiner stellten noch selbst Möbel, Fenster und Türen her. Der Stellmacher stellte Stalltüren, Scheunentore her und baute auch eisenbereifte Wagen für die Landwirte. Beim Schuhmacher Müller (Schosters) kaufte man Schuhe, ließ die Schuhe reparieren, neu besohlen oder die Arbeitsschuhe mit Pinnen versehen.

Brauchte man Geschirre für die Zugtiere oder mussten diese instand gesetzt werden, ging man zum Sattler Mettenheimer in Höringhausen. Das Brot lieferten uns die Bäcker Sude und Rothauge aus Höringhausen, mit Pferd und Wagen machten sie die Runde über die Dörfer. In Netze, dem Geburtsort meiner Mutter, wurde noch bis in die 50er Jahre Brot selbst gebacken. Nach dem 2. Weltkrieg wurde dann in Meineringhausen auch in der Bäckerei Wilhelm wieder Brot gebacken. Bäckermeister Walter Wilhelm hatte bereits im Jahr 1936 eine Bäckerei eröffnet. Walter Wilhelm wurde zum Kriegsdienst eingezogen und so blieb die Bäckerei bis zu seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft geschlossen. Auch bei der Bäckerei Wilhelm wurden die Backwaren jahrelang mit Pferd und Wagen zu den Kunden gebracht. Fast alle Handwerker betrieben nebenher noch eine kleine Landwirtschaft.

 

In der heutigen Zeit ist es selbstverständlich, dass man schnell von einem Ort zum anderen Ort kommen kann. In jeder Familie gibt es einen Pkw oder auch mehrere. Vor 70 oder 75 Jahren, also ein Zeitraum, den ich überblicken kann, stellte sich das vollkommen anders dar. Eine große Personen-Transportleistung wurde von der Eisenbahn erbracht. Die Züge fuhren in einem Takt, dass jeder seine Arbeitsstelle oder auch die Schüler weiterführende Schulen in Korbach rechtzeitig erreichen konnten und auch wieder nach Hause kamen.

Daneben war das Fahrrad ein wichtiges Fortbewegungsmittel. Wir in Meineringhausen hatten das große Glück, einen Bahnanschluss zu haben. Das wurde mir in der Kindheit bewusst, wenn meine Großmutter ihre Verwandtschaft in Basdorf und Vöhl besuchen wollte, wo es keinen Bahnanschluss gab. Fahrradfahren konnte meine Oma nicht, also musste sie zu Fuß gehen oder mit dem Postauto fahren. Die Postautos der damaligen Zeit waren auch für den Personentransport vorgesehen.

 

Bei all dem Zurückdenken an die vergangene Zeit kommt mir immer wieder ein Mann in den Sinn und das ist Schüremmes Henner (Heinrich Bracht III), er war ein vielseitiger und geschickter Mensch, man hatte immer wieder mit ihm zu tun.

Das fing an beim Schroten. Bei seinem Bruder Friedrich in der Bahnhofstraße (jetzt Walmestrasse) hatte er eine große Schrotmühle stehen. Mit Handwagen wurde das Getreide  zur Mühle gebracht. Am anderen Tag konnte man das Schrot wieder abholen. Als Mahllohn behielt Heinrich Bracht eine gewisse Menge des Getreideschrots zurück für seine eigenen Bedürfnisse, man nannte das „mültern.“ Ende der 50er Jahre kauften immer mehr Bauern eine eigene Schrotmühle und Schüremmes Henner gab das Schroten auf.

Wenn die Bauern im Herbst die letzten Kartoffeln geerntet hatten, waren sie wieder auf Schüremmes Henner angewiesen, denn er war Dämpfmeister bei der Dämpfgenossenschaft. Rechtzeitig wurde ein Termin ausgemacht. Wenn es dann so weit war, wurde die Dämpfanlage geholt und auf dem Hof aufgestellt. Der lange Schornstein wurde hochgezogen, genug Holz und Kohlen zum Heizen mussten bereit liegen. Im Wäscher, den man mit der Hand drehen musste, wurden die Kartoffeln gewaschen und kamen dann in den Kessel zum Dämpfen. Dann wurden sie ins Kartoffelsilo geschaufelt und festgetrampelt. Wenn wir Kinder mittags aus der Schule kamen, gingen wir bei der Dämpfanlage vorbei und Schüremmes Opa versorgte uns mit frisch gedämpften Kartoffeln. Er hatte immer den größten Spaß, wenn er uns etwas vorflunkern konnte.

Aber Schüremmes Henner war auch sonst noch wichtig für die Leute im Dorf, und zwar dann, wenn es ums Holzschneiden ging. Geheizt wurde in jedem Haushalt mit Holz, und so mussten jedes Jahr größere Mengen Holz geschnitten werden. Schüremmes Henner war ein Tüftler, er hatte aus einem alten Personenauto den Benzinmotor ausgebaut und einen langsam laufenden Dieselmotor mit Schwungscheiben eingebaut. Hinten am Auto hatte er das Dach abgetrennt und eine Kreissäge montiert, die mit einem Flachriemen angetrieben wurde. Mit diesem eigenartigen Fahrzeug fuhr er dann zu den Leuten und schnitt Holz.

Damit war`s aber noch nicht genug, der Henner war auch noch Pumpmeister für die Wasserversorgung in Meineringhausen. Er hielt die Pumpanlage im Stöcker in Ordnung und pumpte das Wasser in den Hochbehälter am Kesselbusch. Als die Quellen im Stöcker nicht mehr genug Wasser lieferten und auch durch die vorbei fließende Walme verunreinigt waren, musste sich der Gemeinderat Gedanken über eine neue Wasserversorgung machen. Im Langen Grund hatten Geschmöllers Frieder, Beckerschmidts Henner und Kutschers Willem mit Wünschelruten einen Punkt festgelegt, wo man genug Wasser vermutete. Quellfassung und Pumpstation im Langen Grund, ein neuer Hochbehälter am Mühlenberg und die neuen Leitungen wurden im Januar 1962 fertig gestellt. Die neue Anlage betreute Schüremmes Henner, bis die Gemeinde Meineringhausen an Korbach angeschlossen wurde.

Der Henner schnitt auch den Leuten in der Nachbarschaft die Haare. Wir Kinder kriegten sie immer ziemlich kurz geschoren. Einmal war Schären Fritz bei ihm und ließ sich mal wieder die Haare schneiden. Er war schon halb fertig, da fiel dem Henner ein, dass er ganz dringend ins Dorf musste. Er hörte auf und sagte dem Fritz, er solle morgen wieder kommen, dann würde er die Haare fertig schneiden. So musste Schären Fritz den ganzen Tag mit halb geschorenen Haaren herumlaufen.

 

In folgendem Text möchte ich zurückblickend mal beschreiben, wie das Leben auf dem Dorf für Kinder und Jugendliche ab 1940 so ablief oder wie ich selbst es empfunden habe.

Man muss natürlich bedenken, dass sich Deutschland ab 1939 im Kriegszustand befand. Das bedeutete, dass man Spielsachen für Kinder nicht kaufen konnte, kriegswichtige Güter hatten Vorrang. Spielsachen von Eltern und Großeltern wurden wieder herbeigeholt und aufgearbeitet. Die Kinder waren sehr genügsam, man war mit dem Wenigen, was man hatte, zufrieden. Es gab natürlich noch keine Fernsehgeräte oder Computer, selbst ein Radio war nicht in jedem Haushalt vorhanden. Die Kinder mussten sich in der Freizeit selbst beschäftigen, sie waren kreativ und fanden immer eine Gelegenheit, sich mit anderen Kindern zu treffen und zu spielen. In der heutigen Zeit besitzen Kinder ganze Berge von Spielsachen, sie wissen das aber nicht zu schätzen. Außerdem vergeuden sie ihre Jugendzeit vor dem Fernseher oder dem Computer. Und man hört immer wieder: „Mir ist so langweilig.“ In der damaligen Zeit kam Langeweile schon deshalb nicht auf, weil die Kinder ab einem gewissen Alter gewisse Tätigkeiten zu verrichten hatten. Das war besonders in den landwirtschaftlichen Betrieben so, im Stall oder auf dem Feld waren die Kinder immer etwas eingebunden.

 

Mein Jahrgang wurde im Frühjahr 1951 konfirmiert, danach mussten wir noch ein halbes Jahr zur Volksschule gehen. Das hat uns gar nicht gefallen, wir fühlten uns doch schon als Erwachsene. Wegen verschiedener Vorkommnisse hat uns unser Lehrer Schulze ohne Abschiedsfeier aus der Schule entlassen. Schüler, die den Beruf des Maurers erlernen wollten, konnten die Schule früher verlassen, weil Maurer gesucht wurden. Alle entlassenen Schüler und Schülerinnen hatten sich um Lehrstellen bemüht, das klappte auch dann, wenn das Abschlusszeugnis nicht so gut war. Die Lehrlinge wurden in den Betrieben körperlich schon recht stark gefordert und bekamen sehr wenig Entgelt. Dass auch am Sonnabend bis Mittag gearbeitet wurde, war selbstverständlich. In der heutigen Zeit werden die Lehrlinge mit Samthandschuhen angefasst und bekommen verhältnismäßig viel Geld.

 

Welche Möglichkeiten hatten wir als Kinder und Jugendliche in der Freizeit?

 

Man konnte ins Kino gehen. In Korbach gab es

das Central Kino und das Capitol Kino . Da fuhr man mit dem Fahrrad hin, vorausgesetzt, man hatte das Geld für die Kinokarte. In Meineringhausen gab es die Gastwirtschaften Kalhöfer und Kesting. Ein Glas Bier kostete damals 30 Pfennig. Die Jugendlichen trafen sich am Wochenende meist bei Kalhöfers in der Schänke, das war ein größerer Raum zwischen Gaststube und Saal. Man saß im Kreis, trank Bier oder andere Getränke und tanzte nach der Musik des 10-Plattenspielers. Gastwirt Kalhöfer war sehr jugendfreundlich. Hatte man kein Geld, konnte man sich trotzdem im Gasthaus aufhalten, auch ohne etwas zu verzehren. Keiner der Jugendlichen hatte zu dieser Zeit ein Fahrzeug und deshalb kam man immer zusammen, man saß im Gasthaus, knobelte, sang gemeinsam Lieder oder man trank aus dem Stiefel. Der gläserne Stiefel wurde mit Bier gefüllt, man trank in der Runde, der Stiefel wurde immer an den Nebenmann weitergereicht. Beim Trinken durfte es nicht „kluckern“, das heißt, es durften keine Luftblasen aufsteigen. Geschah es trotzdem, musste man den Stiefel neu füllen lassen. Da hatte jeder seine eigene Methode, meist hat man den Stiefel beim Trinken langsam gedreht. Wenn der Stiefel sich dann langsam leerte, wurde es spannend, denn der Vorletzte musste bezahlen. Da hat mancher den oft noch großen Rest ausgetrunken, um nicht Vorletzter zu sein. Das machte immer viel Spaß und es ging laut und lustig zu.

 

Im Sommer und bei gutem Wetter trafen sich Jungen und Mädchen auf der Brücke. Die Brücke ist heute nicht mehr als solche zu erkennen, das ist die Stelle, wo die Walme unter der Bundesstraße durchfließt. Der Walmegraben war damals rechts und links der Straße offen. Man ging dann oft gemeinsam zu Fuß zum Gasthaus „Opperbach“. Noch nicht konfirmierte Jugendliche durften mitgehen bis zum Ortsschild, hier mussten sie umkehren, sonst gab`s „Husche“. In der Opperbach war immer was los, da wurde mancher „über den Durst“ getrunken. Zu später Stunde ging’s dann zu Fuß wieder nach Hause. Da war manchmal die Straße nicht breit genug. Das war kein Problem, denn es waren nur ganz wenige Autos unterwegs und die Autofahrer hatten Verständnis für die Jugend.

 

Besonders viel Spaß machte das Schlittenfahren im Winter, zumal die Winter in meiner Jugend schneereicher waren. Die Kinder und Jugendlichen trafen sich mit ihren Schlitten im Dorf, dann wurden Geleitzüge zusammengestellt, das heißt, viele Schlitten wurden hintereinander gebunden und dann ging`s los oben im Holzweg bei Wilhelm Bracht bis runter nach Ackermanns und Sieken. Das hat uns immer sehr viel Spaß gemacht. Die Dorfstraßen wurden nicht bei jedem Schneeflöckchen mit Salz und Kies gestreut, so dass wir gut mit den Schlitten fahren konnten. Wenn die Walme, die damals noch offen durch´s Dorf floss, im Winter zugefroren war, konnten wir dort Schlittschuh fahren oder glandern.

 

Ab Mitte der 50er Jahre konnten sich immer mehr Jugendliche ein Motorrad kaufen, das Angebot war riesengroß. Wer sich eine NSU Max, eine 250er BMW oder eine Horex leisten konnte, wurde doch schon sehr bewundert. Durch diese Entwicklung war es leichter möglich, in anderen Orten Veranstaltungen zu besuchen.

 

Gab’s eine Verlobung im Ort, gingen wir Jugendlichen gemeinsam dorthin, um den Handschlag zu holen. Es wurden Verlobungslieder gesungen und es wurde „geknappt“, das heißt, mit der Peitsche geknallt. Man gratulierte und das Verlobungspaar überreichte als Dank einen Geldbetrag, der dann sofort in einer der Gaststätten gemeinsam niedergemacht wurde. Fand die Verlobung eines Meineringhäuser Jungen oder Mädchen in einem anderen Ort statt, so fuhren wir auch dorthin.

 

Bei Hochzeiten war es selbstverständlich, dass gepoltert wurde. Das artete manchmal aus, denn viele Leute versuchten, dort ihren Müll loszuwerden. Autowracks und andere große Gegenstände waren keine Seltenheit.

Da hatte das Hochzeitspaar am andern Morgen viel zu tun, um den Polterplatz wieder besenrein zu kriegen. Entsorgen konnte man das Poltermaterial recht einfach, denn im Mühlenweg gab es ja die Müllkippe. Es kam auch vor, dass die Brautleute die Polterer durch Übergabe eines Geldbetrages überreden konnten, den Müll wieder mitzunehmen. Am anderen Morgen staunten sie nicht schlecht, dass der Müll trotzdem vor ihrer Tür lag. In späteren Jahren hat man sich wieder an den eigentlichen Sinn des Polterns erinnert. Man polterte mit Glas und Porzellan, denn bekanntlich sollen Scherben Glück bringen.

Hatte ein Mädchen aus Meineringhausen einen Freund aus einem anderen Ort, so musste der junge Bursche einen Jagdschein erwerben. Von den Meineringhäuser Jugendlichen wurde ihm so lange zugesetzt, ja bis zur Androhung einer Tracht Prügel, bis er bereit war, einen „Bockeliter“ zu bezahlen. Danach bekam er den Jagdschein ausgehändigt, der in launigen und deftigen Worten seine Rechte und Pflichten in der Meineringhäuser Gemarkung beschrieb. In den 60er Jahren hatte ich einen solchen Text entworfen, der lange Jahre verwendet wurde.

 

1955 war ich zum ersten Mal Kirmesbursche. Insgesamt habe ich dreimal die Kirmes mit organisiert, davon zweimal als Kirmesvater. Wir waren meist 6 bis 8 Kirmesburschen. Die Kirmes fand im Saal der Gastwirtschaft Kalhöfer statt. Die Kirmesburschen mussten das Fest vorbereiten und ausrichten. Einnahmen hatten die Kirmesburschen nur durch die Eintrittspreise, damals 2 DM. Davon musste die Musik bezahlt werden. Die Getränke für die Musikanten und die Kirmesburschen hat der Gastwirt Kalhöfer notiert und uns dann die Rechnung präsentiert. Am Ende blieb dann kein größerer Betrag übrig. Die Kirmes fand schon damals, wie auch heute noch, am dritten Wochenende im Oktober statt, allerdings nur an 2 Tagen, Sonntag und Montag. Einige Jahre später, als die Kirmes von der Feuerwehr ausgerichtet wurde, ging man dazu über, die Kirmes am Samstag, Sonntag und Montag zu feiern.

Für die Kirmesburschen selbst war die Kirmes mit allen Vorbereitungen eine anstrengende, aber auch schöne Zeit. Schon viele Wochen vorher wurde die Kirmes „eingeläutet“. Zu später Stunde zogen die Kirmesburschen lautstark durchs Dorf, dann wusste jeder, dass bald Kirmes gefeiert wird. In zahlreichen Kirmessitzungen wurden alle Vorbereitungen bei so manchem Glas Bier besprochen. Man musste allerdings ganz schön trinkfest sein, und das waren die meisten auch. Die Kirmes begann am Sonntagmorgen mit dem Verkauf der Kirmeslose. Die Kirmesburschen gingen von Haus zu Haus und versuchten möglichst viele Lose zu verkaufen, den Erlös konnten sie für sich behalten. Erlaubt war der Verkauf der Lose nur am Sonntagmorgen, alles andere wurde bestraft.

Um 14 Uhr begann der Festzug durchs Dorf. Der Festzug bestand nur aus den Kirmesburschen und der Kapelle. Motivwagen und Fußgruppen wie heute gab es damals nicht. Nachmittags und abends wurde im Saal kräftig gefeiert. Der Kirmesmontag begann mit dem Ständchenspielen. Vor jedem Haus wurde gespielt, die Kirmesburschen sammelten Geld und Eier ein, das Geld wurde mit der Kapelle geteilt. Nachmittags war Kinderkirmes und die Verlosung. Ein besonderes Ereignis war immer, wenn die Kirmesburschen den gläsernen Pisspott holten. Er war mit Bier und warmen Würstchen gefüllt. Jeder Kirmesbursche musste daraus essen und trinken. Abends war wieder Tanz und gute Laune angesagt.

 

Am Dienstag, wenn alles vorbei war, kamen die Kirmesburschen noch mal zwanglos zusammen, es wurden Eier gebacken und man feierte ohne Verpflichtungen im Nacken noch mal kräftig. 4 Wochen später wurde die Kirmes „begraben“. Unter großem Wehgeschrei wurde nach einer launigen Rede ein Hering verbuddelt, und mit einem Tanzabend im Saal Kalhöfer war die Kirmes dann endgültig beendet.

 

Die ärztliche Versorgung der Bevölkerung kann man mit der heutigen Zeit nicht vergleichen. Natürlich gab es in Korbach schon das Krankenhaus. Auch einige Ärzte waren in Korbach ansässig. Sie stellten die ärztliche Versorgung im Umfeld von Korbach sicher. Zu erwähnen ist da der alte Hannes, der Dr. Führer. Bei Bedarf machte er auch Hausbesuche und war dann mit seinem Motorrad unterwegs, er war bekannt für seinen sehr rauen Umgangston.  

 

Ein flächendeckendes Netz von Notärzten und Krankenwagen gab es noch nicht. Dazu ein Beispiel: Ich, der Schreiber dieser Zeilen, hatte im Alter von 5 Jahren einen Finger zwischen einer Tür eingeklemmt und schwer verletzt. Die örtliche Krankenschwester, Frau Degenhof, hat den Finger verbunden und dann mussten wir nach Korbach zum Arzt, aber das war in der damaligen Zeit gar nicht so einfach. Krankenwagen oder auch Pkw gab es nicht. Von Landwirt Heinrich Becker wurde ein Kutschwagen ausgeliehen, eines unserer Pferde wurde angespannt und so fuhren wir zu Dr. Röder in Korbach. Dr. Röder schaute sich den Finger an und erklärte meiner Mutter, dass der Finger amputiert werden müsse und das wäre nur im Krankenhaus möglich. Mit Pferd und Kutsche ging es weiter zum Krankenhaus. Die dortigen Ärzte gaben Entwarnung, die Fingerkuppe wurde genäht. Als ich nach einer leichten Narkose aufwachte, saß meine Mutter am Bett, das war für mich fünfjähriges Kind sehr schön.

 

Nun etwas darüber, wie sich das Leben in der Familie und auf unserem Bauernhof aus meiner damaligen Sicht abspielte.

 

Mein Vater war im Krieg, darüber habe ich schon berichtet. Im Haushalt waren mein Großvater, meine Großmutter, meine Mutter, meine 1940 geborene Schwester und ich. Meine Großmutter war gesundheitlich etwas angeschlagen, sie ging sehr krumm bedingt durch eine Magensenkung. Vor allem war sie im Haushalt tätig, Feld-und Stallarbeiten wurden von meinem Großvater und meiner Mutter erledigt.  Mein Großvater hat mir schon als Kind den folgenden Rat gegeben: „Junge, wenn du mal heiraten wirst, dann guck dem jungen Mädchen in den Mund und kontrolliere die Zähne.“ Er hatte wohl nach seiner Hochzeit schon sehr bald eine hohe Zahnarztrechnung für seine Frau bezahlen müssen.

 

Es gab ein Wohnzimmer mit Kachelofen, aber es wurde fast nie genutzt. In der Küche stand der große Küchenherd mit Schiffchen für die Warmwasserzubereitung. Daneben stand eine größere Kiste aus Holz, in der wurde das Brennholz gelagert, außerdem wurde sie als Sitzgelegenheit genutzt. Von der Küche ging man über eine Treppe zur tiefer gelegenen Waschküche. Dort befanden sich der Kartoffeldämpfer und der Waschkessel. Weiter befand sich hier ein aus Steinen gemauerter Behälter, in dem wurden die Küchenabfälle und das Abwaschwasser aus der Küche gesammelt und dann an die Schweine verfüttert. Von der Waschküche ging eine Tür zum Hof, die andere Tür führte zum Schweinestall, von dort gelangte man in den Keller und in den Kuhstall. Im Schweinestall stand eine sehr große Kiste, in der das Schrot getrennt für Schweine und Kühe lagerte. Im Kartoffeldämpfer wurden die Kartoffeln für die Schweine gekocht. Schweine wurden überwiegend mit Kartoffeln und mit ganz geringen Mengen Getreideschrot gemästet.

 

Die Waschküche war im wahrsten Sinne des Wortes ein Allzweckraum.

In der Waschküche wurde auch gebadet, ein extra Badezimmer war in den meisten Häusern nicht vorhanden. Man stellte eine Zinkwanne auf, im Waschkessel wurde Wasser erhitzt und zum Baden in die Wanne gefüllt.

Im Winter wurden dort Reiserbesen und Weidenkörbe selbst hergestellt.

Reiserbesen brauchte man zum Kehren auf dem Hof und im Stall. Immer hatte man einige solcher Besen vorrätig. Weidenkörbe brauchte man täglich beim Füttern der Haustiere und natürlich bei der Kartoffelernte. Das Material zum Herstellen von Besen und Körben war kostenlos in der Natur vorhanden, so wurde eine Menge Geld gespart.

 

Als Toilette diente ein Holzhäuschen, welches sich draußen auf der Jauchegrube befand. Im Winter bei großer Kälte war das sehr unangenehm. Handlich zurechtgeschnittenes Zeitungspapier wurde als Toilettenpapier benutzt.

 

Ich kann mich gut daran erinnern, dass meine Mutter Leinen gewebt hat. Dazu musste man zunächst Flachs anbauen. War der Flachs reif, wurde er gerupft und auf dem Feld getrocknet und dann in der Scheune gelagert. Danach wurde der Flachs mit verschiedenen Gerätschaften gebrochen, gehechelt und mit dem Spinnrad zu Garn gesponnen und auf Spulen am Spinnrad aufgespult. Von der Spule kam das Garn auf die Haspel. Im Schlafzimmer der Großeltern wurde der Webstuhl aufgebaut und meine Mutter webte Leinen. Das Leinen hatte zunächst eine etwas dunkle Farbe, durch Waschen und Bleichen bekam das Leinen dann die endgültige helle Farbe.

 

Zweimal im Jahr wurde ein Schwein geschlachtet, meistens in der kalten Jahreszeit. Das war bei den Landwirten so, die Schlachtschweine fütterte man etwas länger, damit sie etwas schwerer wurden, aber auch alle anderen Haushalte kauften sich beim Bauern ein Schwein zum Schlachten, um genügend Vorräte zu haben. Im Dorf gab es einige Hausmetzger und zwar Hamels Karl, Timmermanns Karl (Müller), Meyers Wilhelm und Dorfelds Wilhelm. So ein Schlachtetag war sehr arbeitsreich. Wenn der Metzger morgens kam, musste das Wasser im Waschkessel schon kochen. Das Schwein wurde mit der Axt vor den Kopf geschlagen und dann abgestochen. Das Betäuben mit einem Axtschlag war später nicht mehr zulässig, der Metzger musste ein Bolzenschussgerät verwenden. Das Blut wurde aufgefangen, weil man es für die Blutwurst brauchte. Dann kam das Schwein in den Brühtrog und wurde mit kochendem Wasser überschüttet, damit man mit den so genannten Schellen die Borsten abschrappen konnte. Anschließend wurde das Schwein an der Schlachteleiter aufgehängt, aufgebrochen und die Innereien herausgelöst. Die an der Leiter hängenden Schweinehälften mussten nun auskühlen. Zum Reinigen der Därme ließ man mehrmals Wasser durchlaufen. Dann wurde entschieden, welche Teilstücke zu Fleisch (Braten, Kotelett), Wurst, meist Mettwurst, Leberwurst, Blutwurst und Räucherware (Schinken, Speck) verarbeitet werden sollten. Die Mettwurst, Schinken und Speck wurden in der Räucherkammer geräuchert und dann in einem kühlen Raum aufgehängt. Die anderen Wurstsorten hat man durch Kochen im Waschkessel haltbar gemacht, dabei entstand dann auch die Wurstesuppe. Für die Kinder hat der Hausmetzger kleine Würstchen von allen Sorten hergestellt. Schon damals habe ich die frischen Wurstwaren nicht gerne gegessen und den Kesselspeck schon gar nicht. Zum Mittagessen gab es dann grundsätzlich frischen Kesselspeck, Meerrettich und Sauerkraut und natürlich einige Schnäpse dazu. Es war eine schöne Tradition, dass man den Nachbarn Wurstesuppe und von jeder Wurstsorte etwas brachte. Ich war immer froh, wenn der Schlachtetag vorbei war, gern habe ich beim Schlachten nicht geholfen, aber es musste halt sein.

 

Geheizt wurde im Haushalt überwiegend mit Holz, aber auch im geringen Umfang mit Kohlen. Das galt auch für den Kartoffeldämpfer und den Waschkessel. Zentralheizung kannte man nur aus der Schule, dort wurde mit Koks geheizt. Gekocht wurde auf dem Küchenherd, Elektroherde waren eine Seltenheit. Man musste also vorsorgen und das Heizmaterial für das ganze Jahr rechtzeitig beschaffen. Das Beschaffen der Kohle war recht einfach, man bestellte sie beim Kaufmann Isenberg. Wenn dann ein Waggon mit Kohle am Bahnhof ankam, holte man die bestellte Menge dort ab. Das Beschaffen von Brennholz war mit mehr Arbeit verbunden. Die Gemeinde Meineringhausen besaß wenig Wald, hier konnte man mal einen Buschhaufen bekommen, das war dünnes buschiges Abfallholz, es war eigentlich nur für den Futterdämpfer zu gebrauchen. Das meiste Brennholz mussten wir in Freienhagen holen. Hatte man den Holzzettel, fuhr man erst mal nach Freienhagen in den Wald, um zu gucken, wo das Holz stand. Die Holzhaufen standen nicht, wie das heute üblich ist, an ausgebauten Wegen. Die Haufen standen zwischen den Bäumen, es war manchmal sehr schwierig, mit dem Pferdewagen dranzukommen. Oft bekamen wir das Holz im Distrikt „Jeppendiek“, das war ein sehr hängiges und feuchtes Gelände.

Zum Holzfahren fuhr man in Kolonnen, man sprach sich ab, meistens waren dann 4 bis 5 Pferdegespanne unterwegs. Morgens, wenn das Vieh versorgt war, machte man sich auf den Weg. Man brauchte bis zum Wald, der hinter Freienhagen in Richtung Bühle lag, ca. 2 ½ Stunden.

Hatte man Glück, konnte man den Wagen direkt voll laden. Standen die Holzhaufen ungünstig, musste  man mehrfach kleine Mengen aufladen und zum festen Weg bringen. Das Holz wurde sorgfältig geladen, dann kam vorn und hinten eine Kette drum, die mit dem Freidel gespannt und gesichert wurde. Das Nummernstück musste immer sichtbar sein, sonst gabs Ärger mit dem Förster. Wenn alle fertig geladen hatten, gings wieder in Richtung Meineringhausen. Inzwischen war es Mittag, in der Gastwirtschaft und Metzgerei Rennert in Freienhagen wurde Rast gemacht. Zum mitgenommenen Brot bestellte man sich Gehacktes und trank einige Bier dazu. Die Pferde bekamen Heu, welches man mitgenommen hatte und sie wurden getränkt. Wieder zu Hause angekommen, wurde das Holz gestapelt. Das Holz spalten, sägen und mit der Axt hacken waren die weiteren erforderlichen Arbeitsgänge, bevor es im Holzschuppen untergebracht wurde.

 

Nun einige Bemerkungen zu den Arbeitsabläufen in unserem landwirtschaftlichen Betrieb.

Man musste morgens früh aufstehen, das war abhängig davon, wann der Milchwagen kam. Die Arbeit begann morgens mit dem Melken der Kühe. Die Milchkannen wurden dann zur Kannenbank gebracht und vom Milchwagen abgeholt und zur Molkerei Linde in Korbach gebracht. Mittags waren die Milchkannen wieder zurück, einige waren mit Magermilch gefüllt, welche an Schweine oder Kälber verfüttert wurde. Die Milchkannen wurden mit einem Pferdefuhrwerk abgeholt, später kam ein Traktor zum Einsatz. Die Arbeit im Kuhstall, Schweinestall und Pferdestall ging weiter mit Füttern, Misten und neu Einstreuen. Anschließend wurde erst Kaffee getrunken und etwas Brot gegessen. Der Kaffee war natürlich kein Bohnenkaffee, sondern Lindes Kaffee-Ersatz. Solchen Ersatz-Kaffee stellten wir zum Teil auch selber her, und zwar aus Roggen, der auf dem Küchenherd gebrannt wurde, ein dazu erforderliches Gerät ist noch in meinem Besitz. Es wurden am Tag 5 Mahlzeiten eingenommen. Um 7 Uhr Kaffeetrinken, um 9 Uhr Frühstück, um 12 Uhr Mittagessen, um 15.30 Uhr Nachmittagskaffee und um ca. 19 Uhr Abendessen. Samstags wurde immer Blechkuchen gebacken, meistens mit Streuseln, aber auch je nach Saison mit Äpfeln oder Zwetschgen. Beim Kuchenbacken war ich immer in der Küche und versuchte heimlich von den Streuseln etwas zu ergattern, oft reichten sie dann nicht mehr für den Kuchen. Aber auch die gebackenen Kuchen waren nicht sicher vor mir. Ich kann mich dran erinnern, dass Graßes Werner und ich heimlich in unsere Speisekammer geschlichen waren und hatten von einem Kuchen fast alle Krümeln, so nannten wir die Streuseln, abgegessen. Das gab natürlich Ärger.

 

Bei der Feldarbeit wurden unsere beiden Pferde eingesetzt. Gepflügt wurde mit einem Einschar-Beetpflug, ein Mann führte den Pflug, er musste also immer hinter dem Pflug laufen. Genau so war es beim Walzen und Eggen. Durch mehrfaches Walzen und Eggen machte man den Acker saatfertig. Zum Säen von Getreide kam schon eine 2 Meter breite Sämaschine zum Einsatz. Beim Ausbringen der Dickwurzelkerne (Futterrüben) legte man einige der Säschare still, so dass ein Reihenabstand von 50 cm zustande kam. Der Anbau von Dickwurzeln war sehr arbeitsaufwändig. Nachdem die Dickwurzeln aufgegangen waren, wurden sie verhackt, das heißt, mit einer Hacke wurde ein Abstand von ca. 20 bis 25 cm hergestellt. Später wurden die Pflanzen dann verzogen (vereinzelt). Auf den Knien rutschte man durch die Reihen und sorgte dafür, dass alle 25cm nur eine kräftige Pflanze stehen blieb. Mehrfach wurden die Reihen später mit dem Jätepflug durchzogen, um das immer wieder nachwachsende Unkraut zu entfernen. Der Jätepflug wurde von einem Pferd gezogen, ich musste das Pferd führen, damit es keine Pflanzen zertrampelte. Bevor die Blattmasse der Dickwurzeln zu groß wurde, ging man noch mal mit der Handhacke durch die Reihen.

 

Bei der Ernte der Dickwurzeln wurden diese mit der Hand ausgerupft. Jeweils 2 Reihen wurden dann in einer Reihe abgelegt und anschließend geköpft, die Blätter wurden mit einem Hackmesser oder Stoßmesser von den Dickwurzeln getrennt. Anschließend erfolgte das Aufladen auf einen Kastenwagen. Zu Hause wurden die Rüben durch ein Kellerfenster in den Dickwurzelkeller befördert. War der Keller bis unter die Decke gefüllt, legte man im Feld eine Miete an (Dickwurzelhaufen). Nach dem Abdecken mit Stroh wurde eine 50 cm dicke Erdschicht aufgebracht, um die Dickwurzeln vor Frost zu schützen. Waren die Rüben im Keller aufgebraucht, wurde nach Bedarf aus der Miete Nachschub geholt.

 

Bei all diesen Arbeiten waren die älteren Kinder mit eingebunden. Auch wenn die Kinder nicht davon begeistert waren, sie hatten keine andere Wahl.

 

Jeder Landwirt baute Kartoffeln an, so war das auch bei uns. Kartoffeln waren wichtig für die eigene Ernährung, für die Schweinemast und auch für den Verkauf. Ich kann mich daran erinnern, dass die Kartoffeln hinter dem Pflug gesetzt wurden. In jeder zweiten Pflugfurche wurden die Pflanzkartoffeln in möglichst gleichem Abstand in die Erde gedrückt und mit der nächsten Furche abgedeckt. Später bekamen wir ein so genanntes Vielfachgerät. Das Gerät wurde von einem Pferd gezogen, durch angebrachte Lochsterne wurden zweireihig Vertiefungen im Acker hergestellt, darin wurden die Pflanzkartoffeln abgelegt, man trat noch mit dem Fuß auf jede Kartoffel, damit sie besseren Bodenkontakt hatte. Nach einem Umbau des Vielfachgeräts konnte man anschließend häufeln und später auch Unkraut jäten. Das Gerät brachte eine große Erleichterung im Kartoffelanbau. Das Ernten der Kartoffeln erfolgte lange Zeit mit dem Kartoffelpflug. Das war ein Pflug mit einem Pflugkörper aus Eisenstäben. Das Auflesen der Kartoffel war sehr mühsam, man musste sehr im Erdreich wühlen, um alle Kartoffeln auflesen zu können. Etwa im Jahre 1943 bekamen wir einen Kartoffelroder, der Kartoffeln und Erdreich schon besser trennte. Es wurden mehrere Reihen gerodet, die Kinder mussten das Kraut abschlagen, dann wurden die Kartoffeln getrennt nach Größe sowie beschädigte Kartoffeln in Körbe verlesen. Die Körbe wurden in Jutesäcke entleert, die dann abends auf den Wagen geladen und nach Hause gefahren wurden. Während der Kartoffelernte blieb man den ganzen Tag im Feld, die Mahlzeiten wurden draußen eingenommen.

 

Nachdem die Felder abgeerntet waren, wurde mit der Egge das Kartoffelkraut zusammengezogen und anschließend verbrannt. Durch das Eggen traten noch Kartoffeln zu Tage, die wurden als Eggekartoffeln gelesen, auch beim Ackern ging eine Person hinter dem Pflug her und las die Ackerkartoffeln auf. Man achtete schon sehr darauf, dass keine Kartoffel verloren ging. Egge-und Ackerkartoffeln waren meist beschädigt und für den Verzehr nicht geeignet, sie wurden gedämpft und dienten als Schweinefutter.

 

In den 60er Jahren schafften wir in Gemeinschaft mit anderen Landwirten einen Vollernter an.

Das hat die Kartoffelernte sehr erleichtert, in der Folge bauten wir immer mehr Kartoffeln an, bis zu 1,5 ha, insbesondere Frühkartoffeln für den Verkauf.

 

Zur Fütterung unserer Pferde, Kühe und Rinder brauchten wir große Mengen Heu. Zum Mähen von Gras besaßen wir schon einen Grasmäher, der von unseren beiden Pferden gezogen wurde. Ein Wender und Schwader waren auch schon vorhanden. Trotzdem wurde mindestens einmal von Hand gewendet. War das Heu halbwegs trocken, wurden abends Schwaden gezogen, anschließend wurden von Hand Kegel aufgeschichtet, die am anderen Morgen bei gutem Wetter wieder auseinander gestreut wurden. War das Heu trocken, wurde es mit der Forke auf den Leiterwagen geladen und zu Hause im Heuboden verstaut. Ab 1965 wurde das Heu mit dem Ladewagen nach Hause geholt, 1970 kauften wir eine Hochdruckpresse für Heu und Stroh.

 

An Getreide bauten wir Roggen, Weizen, Hafer und Gerste an. Zum Mähen des Getreides besaßen wir zusammen mit Christian Köhler einen linksschneidenden „Deering“ Selbstbinder. Er wurde von 3 Pferden gezogen, der Antrieb erfolgte über ein großes Eisenrad. Auf dem Binder saß eine Person zum Einstellen des Binders und zum Lenken der Pferde, ein Kind stand vorn auf der Deichsel, um mit der Peitsche die Pferde anzutreiben. Das Antriebsrad wurde später durch ein gummibereiftes Rad ersetzt und es wurde ein „Sachs“ Benzinmotor zum Antrieb angebaut. Dadurch wurde der Selbstbinder leichtgängiger und konnte nunmehr von nur 2 Pferden gezogen werden. Selbstbinder bedeutet, dass das Gerät das Getreide abmäht und handliche, mit Bindegarn zusammengeknotete Bunde (Garben) auswirft. Die Bunde stellte man zum Trocknen zu Haufen auf.

Dabei kam die ganze Familie zum Einsatz, auch die Kinder, wenn sie ein gewisses Alter erreicht hatten. In unserer Gemeinschaft mit Köhlers waren ich, meine Schwester Margret, Köhlers Walter und seine Schwester Inge meistens dabei. Beim Aufstellen der Bunde musste eines der Kinder das erste aufgestellte Bund festhalten, dann wurden noch 5 bis 6 Bunde schräg daran gestellt.

Waren die Bunde durchgetrocknet, was natürlich wetterabhängig war, haben wir die Getreidebunde auf den Leiterwagen geladen. Eine Person hat die Bunde mit der Forke auf den Wagen geworfen, eine weitere Person auf dem Wagen musste die Bunde in gleichmäßigen Lagen auf dem Wagen aufschichten. Der Wagen wurde so hoch geladen, dass er grade noch durchs Scheunentor passte. Waren die Schichten auf dem Wagen nicht fest genug geladen oder wenn man auf der Heimfahrt eine schlechte Wegstrecke befahren musste, kam es schon mal vor, dass ein Teil der Ladung vom Wagen rutschte. Auch ganze Wagenladungen fielen schon mal um. Das war ärgerlich, denn dann begann das Laden wieder von vorn. In der Scheune musste der Wagen wieder abgeladen werden, die Bunde wurden im Bansen aufgeschichtet.

 

Im Spätherbst, wenn die Aussaat des Wintergetreides beendet war, begann das „Maschinen“, das heißt, die im Bansen eingelagerten Getreidebunde wurden gedroschen. Wir waren bei der Dreschgemeinschaft Lanz. Rechtzeitig wurde ein Termin vereinbart. Wenn es soweit war, holte man mit den Zugpferden die Dreschmaschine, die Presse und den Motorwagen. Der „Maschinist“ kam rechtzeitig, um die Dreschmaschine zu „setzen“, sie musste genau in Waage stehen. Auch Presse und Motorwagen mussten genau in Position stehen. Im Motorwagen war ein starker Elektromotor, über einen langen Flachriemen trieb er die Dreschmaschine an. An dem Hausgiebel befand sich eine riesige Kraftstrom-Steckdose für den Motorwagen, diese Steckdose war nur über eine lange Leiter zu erreichen. Zum Dreschen waren 6 bis 8 Personen erforderlich. Das war kein Problem, man half sich innerhalb der Dreschgemeinschaft gegenseitig. Im Bansen waren 2 Personen tätig, welche die Getreidebunde auf die Dreschmaschine beförderten. Dort wurden die Bunde von einer Person entgegengenommen und dem Einleger gereicht, dieser entfernte die Hanfseile und legte die Bunde gleichmäßig ein. Der Einleger war immer eine erfahrene Person, denn wenn er zu schnell oder zu viel einlegte, gab es einen Trommelwickler und bedeutete Stillstand. Später wurde die Dreschmaschine mit einem Selbsteinleger nachgerüstet, man brauchte auf der Dreschmaschine eine Person weniger. Die Bunde wurden auf den Selbsteinleger gelegt, die Maschine durchtrennte den Bindfaden und zog das Getreide gleichmäßig ein. Die Presse der Dreschmaschine war in der Lage, das ausgedroschene Stroh, welches zweimal mit Hanfgarn gebunden war, bis in den oberen Teil der Scheune zu befördern, dort waren wieder 2 Personen erforderlich, um das Stroh fachgerecht zu bänsen. Wie man sagte „bei den Säcken“ waren 2 kräftige Männer erforderlich. Die ausgedroschenen Körner gelangten direkt von der Dreschmaschine in angehängte Jute- oder Leinensäcke.

 

Das zum Verkauf bestimmte Getreide wurde gleich auf einen bereitstehenden Wagen geladen. Der größte Teil des Getreides wurde selbst verwertet und musste auf den Getreideboden geschleppt werden, der sich bei den meisten Landwirten im oberen Teil des Wohnhauses befand. Also die Säcke wurden zu zweit auf die Schulter gewuchtet und auf den Getreideboden getragen. Auch bei uns war das ein sehr langer Weg. Von der Scheune über den Hof, durch die Waschküche mit 6 Treppenstufen, durch die Küche, über den Hausflur, dann 2 Treppen hoch mit 32 Stufen auf den Hausboden. Und das den ganzen Tag, von morgens bis abends. Die Sackträger hatten eine harte Arbeit zu leisten.

 

Die Arbeit der Sackträger wurde später erleichtert durch einen vor der Dreschmaschine angetriebenen Sackheber. Die Säcke wurden angehoben bis in Schulterhöhe und konnten bequem übernommen werden. Das änderte wohl nichts an den langen Wegen, aber das kräftezehrende Hochwuchten der Säcke war nicht mehr nötig. Im Laufe der nächsten Jahre wurde unsere schon recht alte Lanz-Dreschmaschine noch mit einem Körnergebläse ausgerüstet, so dass die schwere Arbeit des Säcketragens nicht mehr erforderlich war. Alle Helfer wurden natürlich verköstigt, mittags gab es meistens Eintopf, nachmittags Zwetschgen- oder Apfelkuchen. Das ein oder andere Pinneken Schnaps durfte natürlich nicht fehlen.

 

In den 50er und 60er Jahren musste die Dreschmaschine mittags für 2 Stunden abgestellt werden, weil der elektrische Strom zur Mittagszeit zu schwach war. Gerade in der Mittagszeit wurde in vielen Haushalten mit Elektroherden gekocht, so kam es zu diesen Engpässen. 

 

Vergleicht man die damalige Zeit mit der heutigen Zeit, stellt man fest, dass die Menschen früher länger und härter gearbeitet haben. Das war in der Landwirtschaft so und auch in allen anderen Berufen. Aber es ging beschaulicher zu, so eine Hetze wie heute kannte man damals nicht. In der Landwirtschaft wurde das Arbeitstempo von den Gespannen bestimmt, also von Pferden und Kühen. Trecker gab es nur ganz wenige.

 

Wenn man in Korbach etwas zu erledigen hatte, war man auf das Fahrrad oder die Eisenbahn angewiesen. Oder man ließ sich vom Milchwagen mitnehmen. Personenkraftwagen gab es so gut wie gar nicht.

 

Wenn wir Kinder mal nach Korbach ins Kino wollten oder nach Vöhl ins Schwimmbad, mussten wir mit dem Fahrrad fahren. 

 

Erinnerungen an die Kriegsjahre 1939 – 1945

 

Auch als Kind bekam man schon mit, wie der Krieg das Leben veränderte. Abends mussten alle Fenster verdunkelt werden. Es gab nicht mehr alles zu kaufen, für die meisten Waren musste man Lebensmittelkarten oder Bezugsscheine haben. Die Bauern waren Selbstversorger, weil sie viele Lebensmittel selber erzeugten. Knapp war vor allem Zucker, man half sich dadurch, dass man als Zuckerersatz Zuckerrübenhonig nahm, den man selber hergestellt hatte.

Zur Honiggewinnung wurden immer ein paar Reihen Zuckerrüben angebaut. Weil die Zuckerrüben sehr tief in der Erde steckten, mussten sie mit einer speziellen Gabel ausgehoben werden. Die Rüben wurden in einem Trog mit Wasser übergossen, mit einem abgenutzten Reiserbesen „gestumpet“, man versuchte so, die gröbsten Erdreste zu entfernen. Dann wurde jede einzelne Rübe mit dem Messer „geschrappt“, bis auch das letzte Krümelchen Erde entfernt war. Diese Arbeit war sehr aufwändig, meistens halfen die Nachbarn dabei. Man saß in einer gemütlichen Runde in der Küche und „schrappte“ die Rüben. 

Danach wurden die Rüben mit einem Hackmesser oder wenn vorhanden, mit der Dickwurzelmühle zerkleinert und im Waschkessel gar gekocht. Dann füllte man die heißen Rüben in einen Sack, in einer speziellen Presse wurde der Saft ausgepresst. Der ausgepresste Saft kam wieder in den Waschkessel und wurde so lange gekocht, bis die Flüssigkeit so steif war, dass sie sich schmieren ließ. Das war dann der köstliche Honig, der als Brotaufstrich und zum Süßen verwandt wurde. Beim Honigkochen machte man sich oft den Spaß und schickte die Kinder nach Gärtners (Gärtnerei Krummel), um die „gläserne Leiter“ zu holen, mit der man in den Kessel steigen wollte, um den Honig auszufüllen. Weil Zucker Mangelware war, hat man auch den Kuchen mit Honig gesüßt, der Kuchen hatte dann immer eine leicht bräunliche Farbe.

 

Süßigkeiten für die Kinder waren selten zu bekommen, man bekam sie auch nur gegen eine Zuckermarke aus der Lebensmittelkarte. Aber irgendwann hatte ich entdeckt, wo die kleinen Mengen Zucker, die man auf Lebensmittelkarten bekam, in unserem Hause versteckt waren. Immer, wenn ich mich unbeobachtet fühlte, naschte ich davon. Am Ende fehlten 100 Gramm Zucker. Das Schimpfen meiner Großmutter klingt mir noch in den Ohren.

 

Auch Seife war in den Kriegsjahren knapp. Man versuchte aus Biestmilch, Fettresten und Seifenstein selbst Seife herzustellen. Dazu wurden die genannten Zutaten zum Kochen gebracht. Durch die ätzende Wirkung des Seifensteins waren alle festen Bestandteile vollkommen aufgelöst. Diese flüssige Masse gab man in eine Form und ließ sie abkühlen. Das gab dann eine etwas seltsam riechende Kernseife.

 

Obwohl in Meineringhausen 2 Kaufmannsläden vorhanden waren, konnte man längst nicht alles kaufen, wie es heute üblich ist. Jeder Haushalt hatte einen Garten, in dem für die Selbstversorgung Kartoffeln, Obst und Gemüse angebaut wurden. Nach Kriegsende 1945, als viele aus den Ostgebieten vertriebene Menschen in unserm Dorf angesiedelt wurden, hat die Gemeinde das Landstück, auf dem jetzt die Landmachinen-Firma Kalhöfer ihr Betriebsgelände hat, als Gartenland ausgewiesen und in Einzelparzellen verpachtet. Die geernteten Früchte mussten natürlich zum Teil haltbar gemacht werden, damit man das ganze Jahr darauf zurückgreifen konnte. Aus Stachelbeeren, Johannesbeeren, Erdbeeren und Kirschen stellte man selbst Marmelade her, aus Äpfeln entstand der Apfelgelee. Pflaumen hat man zu Pflaumenmus verarbeitet. Eine weitere Konservierungsart war das Dörren. Reife Früchte wurden je nach Größe in Scheiben geschnitten und bei geringer Wärmezufuhr langsam getrocknet, das geschah meistens auf dem Hausboden auf ganz natürliche Weise.

 

Aus Weißkraut stellte man Sauerkraut her. Im Ort gab es einen großen Krauthobel, nach Vorbestellung konnte man diesen benutzen. Dem gehobelten Kraut hat man reichlich Salz zugesetzt, das Ganze hat man in einem großen Holz-oder Tongefäß gestampft und dann mit einem durch Ziegelsteine beschwerten Deckel luftdicht abgeschlossen. Der Topf blieb etwa 14 Tage in einem warmen Raum stehen, dann kam er in den Keller, nach weiteren 2 Wochen konnte man das Sauerkraut probieren, ob es schon genügend gesäuert hat.

 

Viele Gartenerzeugnisse hat man eingekocht. Einkochgläser wurden gefüllt, mit Gummiring und Deckel versehen, dann kamen die Gläser in den großen Einkochtopf, der auf dem Küchenherd erhitzt wurde. Im Deckel des Topfes war ein Loch für ein riesiges Thermometer, darauf konnte man die Temperatur ablesen, welche für die verschiedenen Früchte unterschiedlich war. Durch das Kochen waren die Gläser fest verschlossen.

 

All diese beschriebenen selbst hergestellten Lebensmittel konnte man im Dorfladen nicht kaufen, vielleicht einiges in Korbach im Feinkostgeschäft.

 

Im Dorf war man darauf angewiesen, dass man die im Garten erzeugten Lebensmittel haltbar machte, damit man das ganze Jahr darauf zurückgreifen konnte.

 

Man muss bedenken, dass das Einfrieren von Lebensmitteln noch nicht möglich war, auch Kühlschränke gab es noch nicht. Alles, was heute im Kühlschrank aufbewahrt wird, stellte man in den Keller. Die erste Gefrieranlage wurde ca. 1955 gebaut, es war eine Karussellanlage der Firma Linde. Der Standort war an der Walme zwischen den Gebäuden von Georg Paar und Seifahrt (Jetzt Steinberg). Durch diese Anlagen war es möglich, größere Mengen Fleisch und Gemüse für längere Zeit haltbar zu machen. Dieses Gefrierhaus wurde später zu Garagen umgebaut. Weil noch weiterer Bedarf vorhanden war, wurde 1962 im ehemaligen Schützenhaus an der Sachsenhäuser Straße (früher Hauptstraße) eine weitere Gefrieranlage eingerichtet.

 

Im Gebäude waren 42 Gefrierfächer, 4 Vorfrostfächer und ein Kühlraum, der vielfältig genutzt werden konnte, untergebracht. Die Anlage von der Firma Linde lief über 35 Jahre zur vollsten Zufriedenheit aller Mitglieder. Nachdem ab 1990 immer mehr Mitglieder eine eigene Gefriertruhe im Haus hatten, lohnte sich der Betrieb der Anlage nicht mehr. Das Gebäude, welches auf dem inzwischen von Wilhelm Schäfer erworbenen Grundstück stand, wurde im Jahre 2000 abgerissen.

In den Jahren ab 1943 gab es immer öfter Fliegeralarm. Die Korbacher Sirenen konnte man in Meineringhausen hören. Bei Alarm ging die ganze Familie in den Keller. Einen Koffer mit allen wichtigen Papieren nahm man mit in den Keller.

 

Zwischen den Bauernhöfen Hamel und Meyer wurde ein Lastwagen der Lebensmittelgroßhandlung Neuhaus aus Korbach von Flugzeugen angegriffen und beschädigt. Mein Opa war 100 Meter entfernt im „Siegen“ mit Pferden beim Ackern. Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und hat weiter geackert. Sein Kommentar: Der Teufel wollte mich noch nicht. Mein Opa war, wie er sagte, ein Antinazi. Er schimpfte oft über Hitler, das hätte ihn Kopf und Kragen kosten können. Der Name Hitler kam ihm nicht über die Lippen, er nannte ihn immer den „Österreicher“.

 

Im Laufe des Krieges wurden Benzin und Diesel knapp, und so wurden viele Fahrzeuge mit einem Holzvergaser ausgestattet. Auch der Trecker von Wilhelm und Heinrich Schlömer aus Korbach, die in Meineringhausen die Milch fuhren, war als Holzvergaser umgebaut. Vorne vor der Haube des Treckers wurde ein großer runder Kessel angebracht, der mit ganz klein gehacktem Holz beheizt wurde. Der Kessel musste rechtzeitig angeheizt werden und man konnte dann mit Holzgas fahren. Diese Fahrzeuge hatten nicht so eine Kraft wie die Dieselfahrzeuge, am Melm gabs schon mal Schwierigkeiten, dann musste man anhalten und nachheizen.

 

Weil die deutsche Wehrmacht immer mehr Pferde brauchte, mussten viele Bauern ihre Pferde abgeben, so auch wir (Wilhelm Schäfer, Kutschers). Als Ersatz bekamen wir zwei Ochsen als Zugtiere für die Landwirtschaft. Wenn die Ochsen mal richtig arbeiten und ziehen mussten, legten sie sich einfach hin. Was hat mein Opa da geschimpft.

 

In den Schulferien war ich oft in Buhlen bei unseren Verwandten, dort war ein so genannter Fesselballon zu sehen. Solche Ballons waren rund um die Edertalsperre mit Wachpersonal stationiert. Bei Fliegeralarm wurden die Ballons mit Gas gefüllt und hochgelassen, sie sollten die feindlichen Flugzeuge beim Anflug zur Sperrmauer behindern. Geholfen hat das wenig, denn in der Nacht vom

 

16. auf den 17. April 1943 wurde die Edertalsperre von englischen Flugzeugen angegriffen und schwer beschädigt. Weil der Wasserstand im Edersee sehr hoch war, haben die gewaltigen Wassermassen großen Schaden angerichtet. Viele Menschen, die vom Wasser überrascht wurden, kamen ums Leben. Ich kann mich erinnern, dass tagelang totes Vieh mit Lastwagen zur Abdeckerei nach Korbach gefahren wurde. Einige Zeit später war ich mit meiner Mutter in Affoldern und habe die schlimmen Verwüstungen gesehen.

 

In Erinnerung geblieben ist mir auch der Luftangriff auf Kassel am 21. Oktober 1943. Der Himmel über Kassel war von den großen Bränden so hell erleuchtet, dass man dieses bis nach Meineringhausen sehen konnte. In wenigen Stunden war Kassel ein riesiger Trümmerhaufen. Als Folge davon kamen immer mehr Ausgebombte, vor allem aus Kassel, nach Meineringhausen. Dadurch wurde die Zahl der Schulkinder immer größer.

 

Am 22. April 1944 spielte sich über Meineringhausen ein Luftkampf ab. Sechs Flugzeuge wurden abgeschossen, fünf deutsche und ein englisches Flugzeug. Sie gingen alle außerhalb des Dorfes nieder, so dass es keine Schäden gab. Einige Flugzeuge waren nur beschädigt und notgelandet. Das war für uns Kinder ein ganz besonderes Ereignis. Mein Vater war gerade auf Urlaub und war mit den Pferden auf der Stejjeräupe. Ich sehe noch vor mir, wie er mit Pferden und Wagen in vollem Galopp die Straße herauf kam und in die offen stehende Scheune fuhr.

Auch Hamels Reinhard kam mit einem großen Schrecken davon, er war auf dem Pfaffental mit den Pferden beim Ackern. Als er merkte, dass über Meineringhausen ein Luftkampf im Gange war, spannte er die Pferde vor den Wagen und fuhr im vollen Galopp nach Hause. Kurz vor dem Dorf, etwa an der Linde, wurde sein Wagen von einer Kugel getroffen. Reinhard Hamel blieb unverletzt, er sprang vom Wagen und nahm im Graben volle Deckung. Die Pferde fanden den Weg allein nach Hause. Reinhard ging, als es wieder ruhig war, zu Fuß nach Hause.

 

Am 5. Oktober 1944 wurden über Korbach Bomben abgeworfen. 45 Familien wurden obdachlos. Ziel des Angriffs waren die Contiwerke, aber getroffen wurde vorwiegend das benachbarte Gebäude des VEW.

 

Die Reiherbach-Eisenbahnbrücke bei Selbach wurde am 18. März 1945 am hellen Tage bombardiert. Von Meineringhausen aus konnte man sehen, wie die feindlichen Flugzeuge immer wieder ein Ziel anflogen. Die Brücke wurde dann auch schwer getroffen, sodass kein durchgehender Eisenbahnverkehr mehr möglich war. Auf dem Rückflug haben die Bomber übrig gebliebene Bomben über dem Kesselbusch abgeworfen. Die Bombentrichter sind immer noch zu sehen. Um den Transport kriegswichtiger Güter sicherzustellen, mussten nachts Männer und Kriegsgefangene aus Meineringhausen und den umliegenden Orten - auch mit Pferdegespannen - zur Reiherbach, um kriegswichtige Güter umzuladen.

 

Mit Hochdruck wurde ab Juli 1945 damit begonnen, die Brücke wieder herzustellen. Nach dem Ende des Krieges wurde die Brücke fertig gestellt, ab 22. Juli 1946 konnten die Züge wieder durchgehend fahren. Gegen Ende des Krieges gab es in Meineringhausen und auch in anderen Dörfern plötzlich eine große Kartoffelkäferplage. Die Käfer und auch die Kartoffelkäferlarven fraßen in kurzer Zeit ganze Kartoffelschläge kahl. Weil man früher die Kartoffelkäfer in unserer Gegend nicht kannte, wurde angenommen, dass die Amis oder die Engländer die Käfer aus Flugzeugen abgeworfen hatten. Die Käfer verbreiteten sich schlagartig übers ganze Land. Spritzmittel oder Spritzgeräte zum Bekämpfen der Käfer gab es nicht. So blieb nichts anderes übrig, als die Käfer und Larven einzusammeln. Der Termin dazu wurde in gewissen Abständen vom Bürgermeister bekannt gegeben. Aus jeder Familie musste sich eine Person beteiligen. Auch die älteren Schüler mussten sich mit der ganzen Klasse daran beteiligen.

 

In den letzten Kriegsjahren gab es wohl Pläne, im Bereich des Koppelbergs einen unterirdischen Flugplatz zu bauen, dazu ist es nicht mehr gekommen. Wäre dieses Vorhaben zum Tragen gekommen, wäre Meineringhausen auch ein wichtiges Ziel für die feindlichen Bomber geworden. Ob diese Pläne wirklich bestanden oder ob es nur ein Gerücht war, sei dahingestellt.

Die Schule und der Kindergarten mussten im Dezember 1944 geschlossen werden, weil die Wehrmacht die Räume belegte.

 

Fast täglich konnte man riesige feindliche Bomberverbände am Himmel beobachten, welche nach Süddeutschland flogen, um über den Industriestädten ihre verheerende Bombenfracht abzuladen. Fast ungehindert konnten sie unser Gebiet überfliegen, die deutsche Luftwaffe konnte dem nichts mehr entgegensetzen, die Lufthoheit war schon lange verloren gegangen.

 

Im Jahre 1945 kam die Kriegsfront immer näher. Am Ostersamstag hörten wir, wie die amerikanischen Panzer über die Itterstraße in Richtung Korbach rollten. Der Korbacher Bürgermeister Zimmermann fuhr den Panzern mit einer weißen Fahne entgegen, damit hat er die Stadt vor großem Schaden bewahrt.

 

Die Menschen im Dorf waren alle in größter Angst, weil keiner wusste, was geschehen würde. Obwohl ich damals erst neun Jahre alt war, habe ich aus unserer Hakenkreuzfahne das Hakenkreuz herausgeschnitten und sofort im Küchenherd verbrannt. Aus dem Rest von dem roten Stoff hat meine Mutter mir später eine Turnhose genäht.

 

Als wir am Ostersonntag morgens aus dem Fenster guckten, waren die Amis in Meineringhausen eingerückt. Unsere Nachbarsleute Graß und Höhne und noch andere an der Hauptstraße mussten ihre Wohnungen verlassen, sie wurden von den Amis besetzt. Panzer und andere Fahrzeuge waren im ganzen Dorf verteilt, Geschütze und MG-Stellungen wurden eingegraben. An der Hauptstraße waren MG-Stellungen in der Kiesgrube neben Schären und auf der anderen Straßenseite vor Elfebers Scheune. Bei Christian Köhler auf der Wiese neben dem Haus waren zwei Geschütze in Richtung Melm in Stellung gebracht.

 

Nach dem Einmarsch der Amis am Ostersonntag haben wir uns erst nicht aus dem Haus getraut, aber irgendwann mussten wir dann doch raus und das Vieh versorgen.

 

Viele Häuser wurden von den Amis durchsucht, auch unser Haus. Dabei haben sie unseren selbst gemachten Wein gefunden. Mein Opa musste erst einen Schluck davon trinken, damit sie sicher waren, dass der Wein nicht vergiftet war. Dann haben sie auch davon getrunken. Unseren Russen Peter haben sie so besoffen gemacht, dass er drei Tage in der Ecke lag. Ein anderer Russe, der bei Köhlers war und Boris hieß, dachte, mein Opa hätte den Peter vergiftet. Der Boris wollte meinen Opa mit dem Messer angreifen, nur mit Mühe konnten wir ihn davon abhalten.

 

Ein Ami hatte in besoffenem Zustand unsere Geldbörse mitgenommen. Am anderen Tag, als er wieder nüchtern war, hat er die Geldbörse zurückgebracht und sich entschuldigt.

 

Wir Kinder hatten recht bald Kontakt mit den Amis und bekamen auch schon mal ein Stück Schokolade. Gegenüber den Menschen im Dorf haben sich die Amis im Großen und Ganzen korrekt verhalten.

 

Der Einmarsch der Amerikaner hätte fast zu einer Katastrophe für unser Dorf werden können. Ein Luftwaffenoffizier, der bei einer nach Meineringhausen evakuierten Familie auf Urlaub war, wollte mit zurückmarschierenden Soldaten eine Ortsverteidigung organisieren. Er hatte sich in Korbach Panzerfäuste besorgt und erwartete die Amipanzer aus Richtung Vöhl oder Sachsenhausen in der Ermeke. Ein paar ältere Männer aus Meineringhausen hatte der Luftwaffenoffizier Vogt gezwungen, in der Ermeke Schützengräben auszuheben. Als die Amis aber dann von Frankenberg über Itter nach Korbach fuhren, gab er auf und war verschwunden. Ein Glück für Meineringhausen.

 

Während die Amis Meineringhausen besetzt hatten, wurde noch ein einzelnes deutsches Flugzeug abgeschossen. Der Pilot landete mit einem Fallschirm in einem Baum im „Feldgarten“ Das Flugzeug stürzte da ab, wo früher der Sportplatz war. Das ist das Gelände zwischen Lärchenweg und Feldgarten, wo damals noch Grünland war. Der Sportverein hat das Flugzeug später ausgegraben und als Schrott verkauft.

 

Am 8. Mai 1945 war der Krieg zu Ende. Deutschland hatte kapituliert. Meineringhausen gehörte zur amerikanischen Besatzungszone. Die Schule wurde von den Amerikanern belegt und erst im Herbst 1945 wieder für den Unterricht freigegeben.

 

Die politischen Leiter aus dem Dorf wurden verhaftet und in die Internierungslager in Darmstadt und Ludwigsburg gebracht. Auch unser Lehrer Schulze wurde interniert. Mein Opa musste zweimal nach Darmstadt reisen, um für die dort auch internierten Meineringhäuser Bürger Heinrich Bracht III (unser Nachbar) und Heinrich Isenberg (Kaufmann und NSDAP Ortsgruppenleiter) vor der Spruchkammer als Zeuge der Verteidigung auszusagen.

Die wirtschaftliche Lage war sehr schlecht. Es fehlte an Lebensmitteln, Kleidung, Brennstoffen und allem

Möglichen. Lebensmittel gab es immer noch nur auf Lebensmittelkarten. Die Viehbestände der Landwirte waren wegen der Zwangsablieferungen auf einem niedrigen Stand, zudem fehlte es an Kraftfutter für das Vieh.

 

Polnische Zwangsarbeiter, die in Korbach in der Kolonie untergebracht waren, machten die Gegend unsicher. Sie unternahmen Raubzüge und Überfälle.  Es verging kaum eine Woche, in der nicht nachts irgendwo eingebrochen wurde. Lebensmittel, Kleidungsstücke, Radios, Fahrräder usw. wurden entwendet. Ganze Räucherkammern wurden ausgeräubert. Selbst Schweine wurden in den Ställen abgeschlachtet und mitgenommen. Selten konnten die Diebe ermittelt werden. Im Ort wurden Nachtwachen aufgestellt, um sich dagegen zu schützen. Das war natürlich schwierig, denn man hatte keine Waffen.

 

1945 gab es die Dorfstraßen Lärchenweg, Fliederweg und Feldgarten noch nicht. Von Christian Köhler (jetzt Walter Köhler) bis an die jetzige Hainstraße und auf der anderen Seite bis nach Striekers (Müllers) Wilhelm, jetzt Horst Graß, war die ganze Fläche noch Grünland. Auf diesen Wiesen standen viele Ami-Fahrzeuge. Bei Graßes Wilhelm hatten die Amis ein Motorrad entdeckt, damit sind sie solange über eine Wippe gefahren, bis das Motorrad defekt war.

 

Bei einem Jeep hatten die Amis das Lenkrad so festgebunden, dass er den ganzen Tag ohne Fahrer im Kreis fuhr. Für uns Kinder gab es immer etwas zu sehen.

 

Die russischen Kriegsgefangenen, die im Dorf bei den Bauern arbeiteten, waren mit dem Einmarsch der Amis frei. Sie blieben aber noch in Meineringhausen. Auf Hof Lauterbach, wo auch damals eine Schnapsbrennerei war, haben die Russen geplündert. Mit großen Milchkannen holten sie den Sprit, der einen Alkoholgehalt von 96 % hatte. Die Folge war, dass sie tagelang besoffen waren. So war es auch bei dem Russen, der bei Vagieners war. In besoffenem Koppe fing er an zu randalieren. Vagieners Martha holte Schosterjaustes Heinrich und seinen Vater zu Hilfe. Schosterjaustes Opa schlug dem Russen mit einem Schwengel vor den Kopf. Die Lage wurde sehr gefährlich, die Russen rotteten sich zusammen und waren gewaltbereit. Sie hielten auch einen amerikanischen Militärlastwagen an, der mit zwei Negern besetzt war. Die Russen versuchten, den Amis auf Russisch klarzumachen, dass im Dorf Banditen wären. Verstanden haben die Amis kein Wort, aber sie haben den Vorfall weitergemeldet. Im Dorf wurde die Lage immer gefährlicher. Die älteren Männer, die nicht eingezogen waren, kamen zusammen, bewaffneten sich mit Grabeschaufeln und Mistgabeln und machten Jagd auf die Russen. Manche Russen haben sich versteckt, andere flüchteten bis nach Korbach, wo auf dem Contigelände ein Auffanglager für Russen war. Schosterjaustes Heinrich und sein Vater mussten sich danach tagelang verstecken, weil die Russen beiden nach dem Leben trachteten. In der Nacht nach diesem Vorfall kamen die Amis wieder ins Dorf und durchsuchten viele Häuser. Sie zogen aber bald wieder ab, weil sie nichts Verdächtiges gefunden hatten.

 

Ein Russe, der bei Bäckerkristes gearbeitet hatte, kam noch einmal zurück und hat sich bei Bäckerkristes einen schwarzen Anzug und einen Zylinder geholt. Dann nahm er vom Gutshof den Reitgaul und jagte im Galopp durchs Dorf. Später wurde erzählt, dass in Korbach im Russenlager die eigenen Leute ihm auf einem Holzklotz den Kopf abgeschlagen hätten.

 

Die Sicherheitslage war zu dieser Zeit sehr schlecht, weil sich viele zwielichtige Gestalten in der Gegend aufhielten. Das mussten wir auch erfahren. Wir hackten die Futterrüben auf der Steggereupe und hatten 2 Fahrräder an einer dort stehenden Hecke abgestellt. Als wir abends wieder nach Hause fahren wollten, waren unsere Fahrräder gestohlen. Einige Zeit später wurden uns nochmal 2 Fahrräder gestohlen, und zwar von einem jungen Mann, der bei uns wohnte und verköstigt wurde und dafür uns bei den landwirtschaftlichen Arbeiten half.

 

Auf der Straße durch Meineringhausen bewegten sich viele Menschen, die zumeist aus den deutschen Ostgebieten vor der herannahenden russischen Armee geflüchtet waren und schon viele Wochen unterwegs waren. Mit Fahrrädern, zu Fuß, mit Handwagen oder auch vereinzelt mit Pferdegespann und Wagen versuchten diese Menschen, die nur das Allernotwendigste mitführen konnten, irgendein Ziel zu erreichen.

 

In Käkannes (Vallbracht) Scheune stand ein defekter Lastwagen der Wehrmacht, der mit allerhand Ausrüstungsgegenständen für die Soldaten wie Gasmasken, Koppel, Pistolen- und Patronentaschen, Feldgeschirren usw. beladen war. Das war für uns Jungen von der Hauptstraße ein Paradies. Immer wieder sind wir heimlich in die Scheune gegangen und haben uns Sachen geholt. Natürlich mussten wir höllisch aufpassen, dass wir von den Amis, die im Dorf waren, nicht erwischt wurden. Wir Kinder hatten ja wegen der langen Kriegsjahre kaum Spielsachen.

 

Die Schule wurde von den Amis im Herbst 1945 freigegeben. Der Schulunterricht fing am 1.11.1945 wieder an mit dem aus Schlesien stammenden Oberstudienrat Dr. Behlen und seiner Tochter, Frau Göpel, die als Schulhelferin eingestellt wurde. Die Schülerzahl war auf über 100 angewachsen.

 

Unser Lehrer Schulze war inzwischen entnazifiziert und als Mitläufer eingestuft. Er bezahlte eine Geldbuße von 1400 RM und wurde am 1.11.1946 wieder als Lehrer eingestellt. Die Schülerzahl war inzwischen auf 135 angestiegen.

 

Ins Dorf kamen viele Heimatvertriebene aus den deutschen Ostgebieten und wurden bei Meineringhäuser Familien untergebracht. Bei uns war Frau Heichel mit ihren beiden Töchtern einquartiert. Sie nutzten 2 Zimmer, einen Wasseranschluss gab es in diesen Räumen nicht. Wasser mussten Heichels bei uns in der Küche zapfen und im Eimer über die Treppe hochtragen. Ein Zimmer war mit einem kleinen Ofen zu beheizen, auf dem Ofen wurde auch gekocht. Weil bei uns nur eine Toilette vorhanden war, mussten Heichels auch unser draußen stehendes Klo-Häuschen benutzen. An einen besonderen Vorfall kann ich mich erinnern. Als Heichels Leni (jetzt Helene Schäfer) eines Morgens den Ofen anheizen wollte, schüttete Leni aus einer Flasche Benzin auf das Holz, dabei fing die Flasche Feuer. Geistesgegenwärtig nahm sie die Flasche, rannte die Treppe runter und warf sie in den Garten. Wir saßen zu diesem Zeitpunkt am Frühstückstisch und hörten im Flur ein seltsames Rauschen, welches von der brennenden Flasche herrührte, die mit großer Geschwindigkeit die Treppe hinunter transportiert wurde. Der Schrecken war groß, es war noch mal gut ausgegangen, bis auf ein paar schwarze Flecken an der Flurwand war nichts passiert.

 

1946 war die wirtschaftliche Lage noch sehr schlecht. Es fehlte an Lebensmitteln, Kleidung, Brennstoffen und allem Möglichen. Die Bewohner aus den großen Städten unternahmen Hamsterfahrten auf die Dörfer, um Lebensmittel einzutauschen. Die Versorgung der Stadtbevölkerung mit Lebensmitteln war lange Zeit sehr schlecht. Deshalb kamen die Menschen massenweise mit der Eisenbahn auf die Dörfer und versuchten, allerlei brauchbare Gegenstände und Kleingeräte gegen Lebensmittel einzutauschen. Viele Stadtbewohner erinnerten sich wieder an ihre weitläufige Verwandtschaft auf dem Land, um von ihnen etwas zum Überleben zu bekommen. Der Schwarzhandel blühte an allen Ecken, obwohl diese Art von Handel streng verboten war. Es gab oft Kontrollen, wer erwischt wurde, musste mit Strafe rechnen, die Tauschware wurde beschlagnahmt. Für Geld, wovon genug vorhanden war, konnte man nichts kaufen. Die gängige Währung war Butter, Speck oder Ähnliches.

 

Als die polnischen Zwangsarbeiter Korbach verlassen hatten, wurde es wieder ruhig und sicher im Lande. Wirtschaftlich ging es langsam, aber stetig bergauf.

 

Wir selbst und auch alle, die in den Dörfern lebten, haben nicht hungern müssen, denn jeder hatte einen Nutzgarten, aber nicht mit überwiegend Rasen und Blumen wie heutzutage. Im Garten wurden Kartoffeln, Gemüse, Erbsen, Bohnen und vieles andere, was man zum Essen brauchte, angebaut, und man hat natürlich auch ein Schwein geschlachtet. Wir selbst hatten vor dem Wohnhaus zur Straße hin einen großen Garten. Außerdem wurde im Feld, zwischen den Futterrüben, eine ansehnliche Fläche für Gemüse, Möhren und Kohlraben freigehalten

 

1945 kehrte mein Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Nachdem die deutsche Wehrmacht in Russland auf dem Rückzug war, wurde mein Vater wieder als Frontsoldat eingesetzt und erlitt eine Verwundung. Bei Kriegsende geriet er in Gefangenschaft und überlebte die berüchtigten Gefangenenlager auf den Rheinwiesen. Lange Zeit wussten wir nicht, ob er noch lebte oder wo er sich befand. Dann kam eines Tages die erlösende Nachricht, dass er auf einem Transport von Gießen nach Korbach sei und entlassen wurde. Meine Mutter, ich und meine Schwester Margret machten uns zu Fuß auf den Weg nach Korbach. Als wir bei Greben Scheune angekommen waren, kam uns ein Pferdefuhrwerk entgegen, auf dem unser Vater und Karl Walter, der Schwiegersohn von Stellmacher Hankel, saßen. Die Freude über die Rückkehr unseres Vaters war unbeschreiblich, so etwas kann man mit Worten nicht ausdrücken. Mein Vater war in einigermaßen guter Verfassung, so dass wir den restlichen Weg nach Meineringhausen zu Fuß zurücklegen konnten. Ich hatte schon lange vorher einige Zigaretten gesammelt, die ich von amerikanischen Soldaten erhalten hatte. Über Wochen und Monate hatte ich diese im Schlafzimmer unter der Wäsche versteckt. Ich wollte sie meinem Vater bei seiner Rückkehr, auf die wir so sehr hofften, schenken. Das habe ich auch getan, sofort nach der Begrüßung bei Greben Scheune habe ich ihm die Zigaretten gegeben.

 

Der Transport von Gießen nach Korbach wurde mit offenen Lastwagen mit hohen Bordwänden durchgeführt. Wie uns mein Vater erzählte, waren die Lastwagen ohne Sitzgelegenheit und wurden von Negern gefahren. Die Soldaten standen dicht an dicht und hatten kurz vor der Entlassung in ihre Heimatorte noch mal Todesangst, weil die Neger ein lebensgefährliches Tempo gefahren sind und nur dadurch, dass sich alle auf der Ladefläche immer mit in die Kurve gelegt haben, ist man heil in Korbach angekommen.

 

Nach einer gewissen Erholungsphase führte mein Vater unseren landwirtschaftlichen Betrieb wieder fort.

Rückblickend auf meine Jugend in den Kriegs-und Nachkriegsjahren muss ich sagen, trotz aller Entbehrungen haben wir uns wohl gefühlt. Wir besaßen nicht solche Berge von Spielsachen, wie das heute üblich ist. Wir waren kreativ, wir haben uns gemeinsam Spielsachen gebaut und Spiele ausgedacht, wir waren nicht durch Fernsehen, Computer usw. abgelenkt und vereinnahmt.

 

Ein Jahr von besonderer Bedeutung war 1948, das Jahr der Währungsreform. Die Reichsmark (RM) wurde am 18. Juni 1948 aus dem Verkehr gezogen, die Deutsche Mark (DM) wurde eingeführt. Jede Person bekam einen Betrag von 40 DM ausgezahlt und 4 Wochen später noch mal 20 DM. Nun hatten wir wieder eine stabile Währung. In den Läden konnte man wieder fast alle Waren bekommen, was vorher nicht möglich war. Scheinbar hatten die Geschäftsleute viele Waren gehortet, um sie jetzt für DM verkaufen zu können. Die Sparguthaben der Bevölkerung waren zum größten Teil verloren, für 100 RM bekam man gerade mal 6,50 DM vergütet. Schulden und Verbindlichkeiten wurden 10 zu 1 umgestellt. Wirtschaftlich gab es durch die DM neue Impulse, das spürte man auch in der Landwirtschaft.

 

Im Jahre 1949 kauften wir unseren ersten Elektroherd, dadurch wurde in der Küche weniger Holz gebraucht, und ein neues Radiogerät, bisher hatten wir einen ganz einfachen Volksempfänger, den mein Vater aus Russland mitgebracht hatte. Außerdem ließen wir von der Firma Wiegand einen Heuaufzug einbauen, der das Abladen von Heu und Stroh wesentlich erleichterte.

Schon im Jahre 1951, als ich 15 Jahre alt war, schafften wir unsere Pferde ab und kauften uns einen Schlepper mit 15 PS. Angeboten wurde uns ein 16 PS Hanomag von der Fa. Brandt (Mercedes Brandt) und ein 15 PS Deutz vom Raiffeisen Maschinenlager. Wir haben uns für den 15 PS Deutz entschieden, unter anderem auch wegen der Luftkühlung. Der Schlepper hat damals 7081 DM gekostet. Wir waren der erste landwirtschaftliche Betrieb in Meineringhausen, der die Zugpferde durch einen Schlepper ersetzte. Zu der Zeit nahm man an, dass eine Landbearbeitung ganze ohne Zugtiere nicht möglich wäre. Also kauften wir uns 2 Fahrkühe, eine aus Berndorf und eine von Kirchen-Bangerts in Meineringhausen mit Namen Stoffel, sie machte ihrem Namen alle Ehre.

 

Ich kann mich an eine turbulente Probe-Ausfahrt mit dem eisenbereiften Wagen erinnern, danach wurden die Kühe nie wieder angespannt. Nun galt es, alle Wagen und Geräte für den Schlepperzug umzustellen. Vom Schmied ließen wir Wagen, Grasmäher, Wender, Harken, Vielfachgerät, Selbstbinder, Kartoffelroder usw. so umrüsten, dass man unseren Schlepper davorspannen konnte. Das klappte alles recht gut, so dass immer mehr Landwirte, die uns bisher misstrauisch beäugt hatten, sich einen Schlepper kauften. Recht bald wurde uns klar, dass man einen Trecker rechtzeitig füttern muss. Mein Vater und ich waren mit unserm Deutz auf unserem Feld auf der Stiggereupe und plötzlich blieb der Motor stehen, wir waren natürlich hilflos. Ich musste zu Fuß nach Hause und unseren Nachbarn Heinz Bracht, der als Schlosser beim Raiffeisen Maschinenlager beschäftigt war, um Hilfe bitten. Schnell stellte sich heraus, dass der Diesel-Tank leer war. Das war Lehrgeld und ist nicht wieder vorgekommen. Als ich 16 Jahre alt war, konnte ich den Führerschein 4 erwerben. Das war recht einfach. Nach der Anmeldung wurde ich aufgefordert, zum Bürgermeister Christian Kalhöfer zu kommen, dort war der Dorfpolizist aus Höringhausen anwesend, ich musste 3 einfache Fragen beantworten und schon war ich im Besitz eines Führerscheins für Schlepper und leichte Motorräder. Ich war mächtig stolz, dass ich nun allein unseren Trecker fahren konnte. Wir merkten bald, dass ein Trecker die Arbeit in der Landwirtschaft doch sehr erleichtern kann, aber man muss sich darauf einstellen. Es zeigte sich, dass wir beim Ackern mit dem Beetpflug plötzlich zwei Personen brauchten, und zwar den Treckerfahrer und eine hinter dem Pflug, ähnlich war es beim Grasmähen. Also wurde nach langer Überlegung ein Anbau-Wechselpflug gekauft, der auch den Vorteil hatte, dass es auf dem Acker keine Mittelfurche mehr gab. Der Grasmäher wurde in Zahlung gegeben und ein Anbau-Mähwerk gekauft. Es zeigte sich also, dass der Kauf des Schleppers noch andere Ausgaben nach sich zog. Von Nachteil waren auch die üblichen eisenbereiften Wagen, mit denen konnte man die Fahrgeschwindigkeit des Schleppers, die bei 20 Stundenkilometer lag, nicht ausnutzen. Zum Glück hatten wir schon einen „Gummiwagen“, der mit 2 gebrauchten Lkw-Achsen ausgerüstet war. Den Wagen konnte man als Kastenwagen und als Erntewagen nutzen. Im Kfz.-Brief unseres Schleppers war die Höchstgeschwindigkeit mit 23 km angegeben. Laut Gesetz durfte ein Schlepper nur eine Geschwindigkeit von 20 km/h erreichen. Durch Reduzierung der Drehzahl wurde das korrigiert.

 

1953 bekam ich ein Motorrad, das war natürlich etwas ganz Besonderes. Es handelte sich um ein Dürkopp Motorrad mit 200 ccm und 10,2 PS, versehen mit einer Teleskopfederung, das war zu der Zeit etwas Neues. Der Kauf lief folgendermaßen ab: Mein Vater und ich gingen zu Schmied Fritz Schäfer, der hatte den Motorradhändler Willi Franke nach Meineringhausen gebeten. Eigentlich sollte ich ein kleineres Motorrad bekommen, aber Willi Franke hat meinen Vater überzeugt, dass es doch mindestens 200 ccm haben sollte. Als ich das Motorrad dann nach einigen Wochen abholen konnte, war ich mächtig stolz. Das Motorrad war bis 1959 in meinem Besitz.

 

Mit diesem Motorrad habe ich meine erste Urlaubsreise unternommen. Zusammen mit Rudi Kannel bin ich nach Wilhelmshaven gefahren, dort haben wir in einer Jugendherberge übernachtet. Auf dem Weg dorthin, es waren immerhin 360 km für eine Strecke, hatten wir einen Schaden am Motorrad. In Bersebrück suchten wir eine Motorradwerkstatt auf, das erforderliche Zahnrad wurde bestellt und eingebaut. Aber wir mussten uns für 2 Nächte ein Quartier in Bersebrück suchen. Die Weiterfahrt und auch die Rückfahrt verliefen dann ohne Probleme. Wir hatten einen schönen Urlaub erlebt.

 

Am Berufswettkampf für Junglandwirte nahm ich 1953 teil. Es gab einen schriftlichen Teil mit vielen Fragen und einen praktischen Teil, in dem man beweisen musste, dass man die gestellten Aufgaben gut lösen konnte.

 

Ich war sehr ehrgeizig und hatte mich gut auf diese Aufgaben vorbereitet. Dieses hat sich ausgezahlt, nach der Auswertung stand ich als Kreissieger des Landkreises Waldeck fest. Das bedeutete aber auch, dass ich am Landesentscheid teilnehmen konnte.

 

Zum Landesentscheid kamen Teilnehmer aus allen hessischen Landkreisen in Groß-Seelheim bei Marburg zusammen. Der Berufswettkampf dauerte 2 Tage, die Teilnehmer mussten also in Groß-Seelheim übernachten. Zu bewältigen war auch hier ein schriftlicher Teil sowie ein praktischer Teil. Beim praktischen Teil war Herr Noell aus Holzhausen bei Homberg als Prüfer tätig, bei dem ich später meine Fremdlehre absolvierte. Nach Abschluss des Landesentscheids stand ich als 3. Landessieger fest. Bei einer späteren Veranstaltung auf Schloss Waldeck wurde mir eine Urkunde und ein Buch überreicht.

 

1954 begann ich meine Fremdlehre auf dem Betrieb von Ernst Noell in Holzhausen bei Homberg. Der Betrieb bearbeitete an Acker- und Grünland ca. 40 ha. Es waren etwa 20 Kühe und entsprechendes Jungvieh vorhanden, betreut von einem Melker. Es waren ca. 20. Schweine vorhanden, die ich als Lehrling versorgen musste.

 

1955/1956 besuchte ich die Oberklasse der Landwirtschaftsschule und legte meine Landarbeitsprüfung ab, sie ist vergleichbar mit der Gesellenprüfung beim Handwerk. Die Prüfung konnte ich mit der Note „Sehr gut“ abschließen.

 

Das Jahr 1956 war für unseren landwirtschaftlichen Betrieb und vor allem für mich ein richtungsweisendes Jahr, denn wir kauften einen Mähdrescher. Es war der erste Mähdrescher in Meineringhausen. Zusammen mit Karl Hamel und Ludwig Fahrenbach entschlossen wir uns, gemeinsam einen Selbstfahrer- Mähdrescher Massay-Harris mit eingebauter Strohpresse zu kaufen. Der Mähdrescher hatte eine Schnittbreite von 1,60 m und wurde von einem VW-Industriemotor mit 27 PS angetrieben. Der Mähdrescher hatte einen Absackstand, das heißt, das ausgedroschene Getreide wurde in Säcke abgefüllt und diese legte man auf dem Feld ab.

 

Die Säcke mussten dann mit Handarbeit auf den Transportwagen gewuchtet werden. Gerade unser erstes Mähdrescher-Jahr 1956 war ein „nasses Jahr“. Das machte uns ganz große Schwierigkeiten, denn wir mussten mit hohen Feuchtigkeitsgraden dreschen. Das Kornhaus in Korbach war auf feuchtes Getreide nicht eingerichtet, und so mussten wir das zum Verkauf bestimmte Getreide zu Hause lagern. Durch tägliches Umschaufeln versuchten wir, die Feuchtigkeit so weit zu reduzieren, dass ein Verkauf möglich war. Schwierigkeiten gab`s auch mit dem Stroh, welches ja von der Presse eingebunden war. Die Bunde trockneten sehr schlecht, es dauerte lange, bis wir das Stroh in der Scheune einlagern konnten. Von den anderen Landwirten wurden wir Mähdrescher-Besitzer bemitleidet, bei manchen war auch eine gewisse Schadenfreude zu erkennen. In den folgenden Jahren war das Erntewetter meistens günstiger, es klappte besser. Viele von den Kleinlandwirten, die nur 2 bis 3 Morgen Getreide anbauten, ließen sich von uns ihr Getreide ernten.

 

Schon bald zeigte die weitere Entwicklung in der Landwirtschaft, dass unsere damalige Entscheidung, einen Mähdrescher zu kaufen, richtig war. Immer mehr Landwirte in Meineringhausen kauften sich, meist in Gemeinschaft, Mähdrescher. Das waren zum Teil gezogene, aber überwiegend Selbstfahrer. Unsere Gemeinschaft hat dann mit 4 weiteren Landwirten einen großen Claas SF angeschafft. Dieser war auch noch mit Presse und Absackstand ausgerüstet.

 

Einige Jahre später wurde die Presse abgebaut, das Stroh wurde jetzt lose ausgeworfen, es konnte so besser trocknen.

 

Im Jahre 1956 wurde ich Mitglied der Feuerwehr. Ortsbrandmeister Müller hatte die Jungen der Jahrgänge 1935 und 1936 zur Feuerwehr gerufen und sie gebeten, Mitglieder zu werden. Ich war natürlich gern dabei, denn schon als Kind haben mich Feuerwehrübungen fasziniert. Nach Kriegsbeginn im Jahre 1939 musste Ortsbrandmeister Heinrich Eisenberg zum Militär. Wilhelm Köhler war nun Ortsbrandmeister. Die Feuerwehrmänner kamen in gewissen Abständen am Sonntagmorgen zusammen und machten Unterricht am Gerät. Ich war immer dabei und guckte zu. Schon als Kind konnte ich genau erklären, wie man die TS 8 Magirus-Goliath zum Laufen bringt. Diese TS 8 ist heute, im Jahre 2016, noch im Besitz der Feuerwehr Oldtimer Freunde und ist noch betriebsbereit. Zwischendurch ist noch zu erwähnen, dass die Feuerwehrmänner sofort nach Ende des 2. Weltkriegs auf Anordnung der alliierten Militärverwaltung an ihren Uniformen weiße Armbinden tragen mussten, daran kann ich mich noch erinnern.

 

Bei unseren ersten Schritten in der Feuerwehr wurden wir von Gruppenführer Karl Becker begleitet. Er brachte uns das nötige Wissen und Können bei, so dass wir schon bald Wettkämpfe mitmachen konnten, ich war als Maschinist an der TS 8 tätig. Wilhelm Müller, der im Jahre 1946 zum Ortsbrandmeister gewählt wurde, erkannte schon bald mein außergewöhnliches Interesse an der Feuerwehr. Er sorgte dafür, dass ich zur Feuerwehrschule nach Kassel ging und dort Grundlehrgang, Maschinistenlehrgang und Gruppenführerlehrgang absolvieren konnte. Schon im Jahre 1959 wurde ich zum stellvertretenden Ortsbrandmeister gewählt. Zu dieser Zeit lag das Feuerwehrwesen in Meineringhausen am Boden. Die Gründe dafür sind den älteren Meineringhäusern bekannt, ich will nicht näher darauf eingehen. In dieser Zeit als stellvertretender Ortsbrandmeister ist es mir gelungen, viele Jugendliche für die Feuerwehr zu begeistern. Wo auch immer ich die jungen Leute im Dorf traf, ich habe sie angesprochen und davon überzeugt, dass sie bei der Feuerwehr gebraucht würden. Schon bald waren wir eine schlagkräftige Truppe. Wir haben viele Feuerwehrübungen durchgeführt, uns stand natürlich nur ein TS 8-Anhänger zur Verfügung, welcher von einem Trecker gezogen wurde. Ortsbrandmeister Müller, der im 2. Weltkrieg bei der Wehrmacht in einer Feuerlöschtruppe Dienst tat, war ein anerkannter Feuerwehrfachmann und war auch viele Jahre Bezirksbrandmeister im Bezirk Sachsenhausen. Ortsbrandmeister Müller ließ mich mit der jungen Truppe wohlwollend gewähren. Ich habe ihn sehr oft in seiner Wohnung besucht, um über feuerwehrtechnische Dinge zu sprechen. Die junge Truppe wuchs erstaunlich gut zusammen und entwickelte eine sagenhafte Kameradschaft. Wir waren nicht nur bei der Feuerwehr zusammen, sondern auch in der Freizeit, wir waren einfach Freunde. Wo immer es nötig war, halfen wir uns gegenseitig. Als Rudolf Kalhöfer, Friedhelm Sauerland und Heinz Scherf ihre Häuser bauten, haben wir die Fundamente ausgeschachtet.

 

Als unser Haus (Wilhelm Schäfer) umgebaut wurde, hatten die Zimmerleute den gesamten Dachstuhl abgebaut, die Feuerwehrkameraden kamen und haben alle Balken vom Haus weggetragen und auf der Wiese nebenan gestapelt.

 

1963 konnten wir uns endlich wieder an Wettkämpfen beteiligen, und zwar in Dorfitter. Alle Geräte und Ausrüstungsgegenstände, die wir brauchten, wurden auf den Geräteträger von Kurt Bangert geladen und ab ging´s nach Dorfitter. Von 8 teilnehmenden Mannschaften konnten wir den 4. Platz belegen, für den Anfang nicht schlecht.

 

Im Jahr 1963 wurde ich zum Ortsbrandmeister gewählt, Werner Vallbracht wurde mein Stellvertreter. Wilhelm Müller hatte 17 Jahre die Wehr geführt und trat zur Wahl nicht mehr an. Das war ein Generationenwechsel, denn fast alle neuen Vorstandsmitglieder waren junge Leute, die schon bei der Landjugend mitgewirkt hatten. Auch im Jahr 1963 bekam die Feuerwehr eine neue TS 8 von Magirus. Die alte Spritze, Baujahr 1939, wollte bei einer Übung auf dem Gelände des Gutshofs nicht mehr anspringen. Jahrelang stand sie im Spritzenhaus und später bei Walter Graß in der Scheune. Mitte der 90-er Jahre habe ich dieses Schätzchen in meine neu eingerichtete Werkstatt geholt und konnte die Magirus Goliath wieder zum Laufen bringen. Darauf bin ich besonders stolz. Inzwischen ist sie neu lackiert und läuft heute, im Jahr 2016, immer noch.

Ein ganz besonderes Jahr für die Wehr war 1964, denn wir bekamen ein Feuerwehrfahrzeug. Nachdem der Gemeinderat der damals noch selbständigen Gemeinde Meineringhausen beschlossen hatte, ein Löschgruppenfahrzeug (LF 8) zu kaufen, wurden entsprechende Fahrzeuge von den Firmen Magirus, Metz, Meyer-Hagen und Ziegler vorgeführt. Gemeinderat und Feuerwehr entschieden sich für ein LF 8 von Magirus. Im Juli war es dann soweit, wir konnten unser LF 8 in Ulm abholen. Kurt Bangert, Walter Graß, Werner Vallbracht und ich starteten mit Herrn Scheyhing aus Kassel, dem Verkäufer des Fahrzeugs, nach Ulm. Nach einer Einweisung und einer Werksbesichtigung ging´s in Richtung Meineringhausen. Kaum hatten wir die Stadt Ulm verlassen und waren auf einer Landstraße, hat Kurt Bangert erst mal Blaulicht und Horn geprüft. Nach einer Übernachtung auf halber Strecke kamen wir wieder in Meineringhausen an und fuhren mit Blaulicht und Horn durchs Dorf. Was waren wir stolz, wir hatten ein Feuerwehrauto.

Die Gesamtkosten für das Fahrzeug mit Ausrüstung betrugen 32 000 DM.

 

Noch im selben Jahr bekamen wir 2 Luftschutzsirenen. Für die Feuerwehr war das ein großer Fortschritt, denn durch ihre Lautstärke wurden sie fast überall im Dorf gehört. Bisher musste man bei Bränden oder Übungen mit dem Fahrrad durchs Dorf fahren und mit dem Tremolohorn blasen. Als ich dann 1959 einen VW Käfer besaß, sind wir mit dem im Ort rumgefahren und durch das geöffnete Schiebedach hat dann ein Feuerwehrkamerad das Horn geblasen.

 

In meiner Erinnerung geblieben ist eine Feuerwehrübung, die vollkommen geheim war. Ich hatte Heinz Bracht (wohnt heute in Rhenegge) gebeten, die Sirene am Feuerwehrhaus auszulösen und den ankommenden Feuerwehrleuten zu sagen, dass bei Wilhelm Dorfeld ein Zimmerbrand sei. Ich selbst stand bei Dorfelds hinterm Haus und wollte die Zeit stoppen vom ersten Sirenenton bis zum Eintreffen an der vermeintlichen Brandstelle. Bereits nach 4 Minuten und 33 Sekunden war das LF 8 im Hohlen Graben bei Dorfelds. Meine Feuerwehrkameraden stürmten aus dem Fahrzeug und hätten fast die verschlossene Haustür bei Dorfelds eingeschlagen, das konnte ich in letzter Sekunde verhindern. Wilhelm Dorfeld war sehr verdutzt und hat einen riesigen Schrecken bekommen, er wusste nichts von meinem Plan. In gewissen Abständen führten wir Nachtübungen durch. Am Sonntagmorgen etwa um ½ 5 ließ ich die Sirenen auslösen, damit wollten wir testen, ob auch nachts der Alarm von den Feuerwehrkameraden gehört wird. Schlömers Heini, der das Gasthaus Kesting führte, schloss dann die Kneipe entsprechend früh auf, sodass wir anschließend unsern Durst kräftig löschen konnten.

 

In den 60-er Jahren war die junge Truppe der Feuerwehrkameraden sehr aktiv. Mir ist es immer wieder gelungen, meine Kameraden auch durch neue Ideen zu begeistern und mitzureißen. Das bedeutete natürlich, dass ich immer vorne weg marschieren musste. Ich habe viel Zeit in die Feuerwehr investiert, aber mir hat es Spaß gemacht, nicht zuletzt wegen der wunderbaren Kameradschaft.

 

Bei den Wettkämpfen waren wir recht erfolgreich, wir hatten den Ehrgeiz, mit in der Spitzengruppe zu sein, das ist uns oft gelungen. Mehrfach waren wir bei den TS 8-Wettkämpfen 1. Sieger im Kreisteil des Eisenbergs. Auf Kreisebene (Waldeck) haben wir den 4. Platz errungen und bei den Großfahrzeugen waren wir 2. Sieger im Kreis Waldeck und an 5. Stelle im Bezirk Kassel. Geübt für die Wettkämpfe haben wir grundsätzlich am Sonntagmorgen ab 9 Uhr. Wer nicht pünktlich war, der wurde abgeholt und, wenn erforderlich, aus dem Bett geholt. Nach dem Üben gingen wir dann gemeinsam nach Kalhöfers oder Kestings und löschten unseren Durst. Sehr oft waren wir dann zum Mittagessen nicht zu Hause, und das gab Ärger in der Familie. Auch unser Pfarrer Arnold war nicht erbaut davon, dass wir am Sonntagmorgen während des Gottesdienstes übten. Wir sind dann auch mal mit der gesamten Wettkampfmannschaft zum Gottesdienst gegangen. 

 

 

Die alte Tradition des Osterfeuers wurde von der Feuerwehr wieder belebt. Oberhalb des Kesselbusch bei Geldmachers Steinbruch wurde das Holz aufgeschichtet. Nach Absprache und Anweisung des Försters konnten wir Holz aus dem Wald holen. Heute ist es üblich, dass von der Bevölkerung massenweise Abfallholz zum Osterfeuerplatz gebracht wird, das gab es damals nicht. Jeder hatte im eigenen Haus die Möglichkeit, sein Abfallholz zu verbrennen, sei es im Küchenherd oder im Futterdämpfer. Der Osterfeuerplatz wechselte dann zum Melm und ist nun seit einigen Jahren am Kampgarten. Ich freue mich, dass über 50 Jahre nach unserem ersten Osterfeuer diese Veranstaltung immer noch jährlich stattfindet und von der Feuerwehr ausgerichtet wird. Heute hat das Osterfeuer fast Volksfestcharakter, es werden Getränke und Würstchen angeboten, zum Wohle der Feuerwehrkasse.

 

Zwischendurch eine lustige Begebenheit. Von den Behörden wurden die Feuerwehren aufgefordert, für die aktiven Kameraden Feuerwehrausweise mit Lichtbild auszustellen, die Formulare wurden uns zur Verfügung gestellt. Um nun die nötigen Passbilder zu machen, baten wir Fotograf Nöll aus Korbach, die Bilder zu machen. In der Schänke des Gasthauses Kalhöfer baute Nöll seine Technik auf und begann die 41 anwesenden Feuerwehrkameraden in Uniform zu fotografieren, das dauerte naturgemäß einige Zeit. Nölls Paul war dafür bekannt, dass er gerne mal ein paar Bier trank. Das war auch hier so, aber es waren dann doch einige Bier zu viel gewesen. Das Ergebnis war, dass er zur Belustigung der Anwesenden mitsamt seiner Bildertechnik zu Boden fiel. Trotzdem waren alle Bilder einwandfrei geworden.

 

1965 veranstaltete die Feuerwehr erstmals am Himmelfahrtstag ein Würstchenbraten an der Warte. Von den Meineringhäuser Einwohnern wurde das gut angenommen. Nach einigen Jahren an der Warte wurde das Würstchenbraten zu der neu erstellten Grillhütte im Langen Grund verlegt.

Diese Veranstaltung hatte schon eine gewisse Tradition und hat so manche Mark in unsere Feuerwehrkasse gebracht. Aber Ende der 70-er Jahre waren einige Vorstandsmitglieder nicht mehr bereit, am Himmelfahrtstag ihre Arbeitskraft dafür einzubringen, weil sie wandern wollten. Das Würstchenbraten haben wir dann aufgegeben.

 

Der legendäre zwischen den Jahren stattfindende Teeabend der Feuerwehr hat seinen Ursprung Anfang der 60-er Jahre. Begonnen hat es in der Schreinerwerkstatt von Werner Vallbracht, die damals noch innerhalb des Wohnhauses war. Die Aktiven jüngeren Mitglieder der Feuerwehr haben sich dort getroffen, es wurde Wurst im großen Ring gebraten, dazu trank man Tee, natürlich verdünnt mit Rum oder Cognac. Später fand diese Veranstaltung in der neuen Werkstatt von Werner Vallbracht, einige Mal auch im Feuerwehrhaus und dann in der Schreinerei Saure statt. Diese Tradition hat sich erhalten bis in die heutige Zeit.

 

Während der Generalversammlung im Jahre 1966 fragte uns Bürgermeister Lückel, ob die Feuerwehr bereit wäre, das baufällige Gemeindehaus abzureißen. Wir haben den Auftrag angenommen und recht bald damit begonnen; viele Feuerwehrkameraden haben sich daran beteiligt. Von der Gemeinde bekamen wir einen Stundenlohn von 7,- DM. Davon haben wir 3,-- DM ausgezahlt, 4,-- DM kamen in die Feuerwehrkasse. Zum ersten Mal in der Geschichte der Wehr kam so ein größerer Geldbetrag in die Feuerwehrkasse. Von dem Geld wurden eine 4-teilige Steckleiter, CB Funkgeräte und eine Schaumeinrichtung gekauft. 

 

An den jährlich stattfindenden Veranstaltungen des Kreisverbandes wie Frühjahrshauptversammlung und Kreisverbandstag haben wir immer mit einer großen Anzahl von Kameraden teilgenommen, auch beim anschließenden Festzug waren wir dabei. Grundsätzlich war unser jeweiliger Bürgermeister, später Ortsvorsteher, dabei. Wir haben das immer dankbar anerkannt und als Bestätigung unserer freiwilligen Arbeit für unser Dorf empfunden.

Bei einem solchen Verbandstag im September 1967 erzählte uns Bürgermeister Lückel, dass sich bisher keine Kirmesburschen gefunden hätten. Wir von der Feuerwehr haben uns kurzentschlossen bereit erklärt, die Kirmes durchzuführen. Wir mussten sofort handeln, die Zeit drängte: Musik bestellen, Verlosung vorbereiten, Eintrittskarten und Blumenschmuck besorgen und vor allem Kirmesburschen finden, alles das musste in kurzer Zeit geschehen. Die Kirmes fand an 2 Tagen, Sonntag und Montag, im Saal der Gastwirtschaft Kalhöfer statt. Wie seit Jahrzehnten bestellten wir die Kapelle Mander aus Vöhl. Die Feuerwehr als Ausrichter der Kirmes war für die Organisation zuständig. Gastwirt Kalhöfer stellte den Saal und sorgte für Getränke. Es stellte sich schon bald heraus, dass für die Feuerwehr nur ganz wenig Geld übrig blieb. Die Musik wurde von Jahr zu Jahr teurer, aber die Eintrittspreise erhöhten sich nicht entsprechend. Der Feuerwehr ging es nicht darum, an der Kirmes viel Geld zu verdienen, wir wollten einfach nur das traditionsreiche Fest der Kirmes retten, aber Geld aus der Feuerwehrkasse drauflegen wollten wir auch nicht. So wurden dann jährlich vor der Kirmes Verhandlungen mit Gastwirt Kalhöfer geführt, er war bereit, einen Zuschuss für die Durchführung der Kirmes zu zahlen. Das begann mit 150 DM und erhöhte sich dann von Jahr zu Jahr. Interessant wurde es bei diesen Verhandlungen immer, wenn es um die Tanzglätte ging. Obwohl es nur um einen Betrag von 10 DM ging, stellte sich der Gastwirt Kalhöfer sehr stur und regte sich fürchterlich auf. Nachdem dann die Walmehalle gebaut war, fand die Kirmes dort statt. Der Getränkeverkauf lief nun in eigener Regie, jetzt blieb natürlich ein großer Geldbetrag für die Feuerwehrkasse übrig. Es bedeutete aber auch, für die Kirmestage 100 bis 120 Helfer zu finden, und das wurde immer schwieriger.

Unter der Regie der Feuerwehr wurde der Ablauf der Kirmes verändert. Von ursprünglich 2 Tagen wurde die Kirmes nun Samstag, Sonntag und Montag gefeiert. Samstag spielte jetzt eine moderne Kapelle für die jungen Leute, Sonntag und Montag war Blasmusik angesagt.

 

Ende der 50-er Jahre wurden die ersten Jugendfeuerwehren gegründet.

 

Während der Generalversammlung im Jahre 1958 machte ich den Vorschlag, auch in Meineringhausen eine Jugendfeuerwehr zu gründen. Dieser Vorschlag wurde von der Versammlung abgelehnt mit der Begründung, dass man keine Nachwuchssorgen habe. Fast 10 Jahre später kam dann aus einer Generalversammlung die Forderung, eine Jugendfeuerwehr zu gründen, denn man hatte wahrgenommen, dass seit über 6 Jahren keine neuen Leute zur Feuerwehr gekommen waren. Ich habe dann alles in die Wege geleitet, natürlich auch mit Hilfe meiner Vorstandkameraden. Zur Generalversammlung 1968 konnten wir eine stattliche Truppe vorstellen, schon eingekleidet mit Blaumännern. Ewald Schulze wurde als Jugendwart gewählt, viele Jahre stand er an der Spitze der Jugendfeuerwehr, und das mit großer Begeisterung.

 

In den 70-er Jahren hat die Jugendfeuerwehr einige Zeltlager durchgeführt, diese wurden von Ewald Schulze und mir geplant und organisiert, natürlich war ich als Ortsbrandmeister immer mit dabei. So haben wir in Holzhausen bei Homberg und in Gemünden gezeltet. Unvergessen sind natürlich unsere Zeltlager am Königssee und in Mittenwald. Hierzu reisten die Jugendlichen mit einigen Betreuern mit der Bahn an, und ich bin zusammen mit einigen Feuerwehrkameraden mit meinem Pkw vorgefahren. Wir hatten auf dem Zeltplatz schon alles vorbereitet und haben die Jugendlichen vom Bahnhof abgeholt. Bei einem solchen Zeltlager hatten wir die erforderlichen Teile für die Jugendfeuerwehr-Übung dabei, denn unsere Jugendlichen waren Kreissieger und mussten sich auf den Landesentscheid in Reinheim vorbereiten. Alle diese Zeltlager haben uns begeistert und sind unvergessen. Eine gut geführte Jugendfeuerwehr ist für jede Feuerwehr äußerst wichtig, denn nur so kann der Fortbestand der aktiven Wehr auf Dauer sichergestellt werden.

 

Bis zum Jahr 1971 gehörte die Feuerwehr Meineringhausen zum Löschbezirk Sachsenhausen. Mit der Gebietsreform wurden alle Löschbezirke aufgelöst, Meineringhausen gehörte jetzt zur Großgemeinde Korbach. Die Ortsbrandmeister der Ortsteile waren jetzt Wehrführer. Die ehemals selbständige Gemeinde Meineringhausen hatte die Arbeit der Feuerwehr immer anerkannt und sie immer mit der erforderlichen Ausrüstung versorgt. Nun waren wir von der Stadt Korbach abhängig, aber auch hier wurde alles getan, um die Leistungsfähigkeit der Ortsteilswehren zu erhalten.

 

1974 kaufte die Feuerwehr mit eigenen finanziellen Mitteln einen VW-Bulli. Ich wandte mich an den damaligen Landtagsabgeordneten Hans-Otto Weber mit der Bitte, uns bei der Beschaffung eines gebrauchten Polizei-Fahrzeugs behilflich zu sein. Das hat auch geklappt. In der Polizeikaserne in Mainz habe ich zusammen mit dem Feuerwehrkameraden Karl Heinz Hoffmann einen VW-Bulli abgeholt. Das Fahrzeug war mit Blaulicht und Alarm–Hörnern ausgerüstet und hat 120 DM gekostet. Es wurde in feuerwehrrot lackiert und mit einer Lautsprecheranlage versehen. Als das Fahrzeug für unsere Zwecke hergerichtet war, waren Kosten von etwa 1500 DM entstanden. Der Bulli war anschließend viele Jahre im Dienst der Feuerwehr.

 

Aus der Jugendfeuerwehr kam 1971 die Bitte, einen Spielmannszug zu gründen. Solche Versuche waren im Laufe der Jahrzehnte schon mehrfach gestartet, aber immer ohne Erfolg. Nachdem ich mir bei anderen Spielmannszügen in der näheren Umgebung das nötige Wissen für eine Neugründung erfragt hatte, habe ich kräftig die Werbetrommel gerührt, und bald hatte ich eine große Zahl Interessierter zusammen. Im Dorf wurde mit gutem Ergebnis eine Sammlung für den Kauf der Instrumente durchgeführt. Beim Musikhaus Urff kauften wir Pfeifen, Trommeln, Becken, Pauke und natürlich einen Tambourstab. Eine Lyra kam schon bald dazu. Friedhelm Sauerland wählten wir zum Stabführer, wie sich schon bald herausstellte, war das eine gute Wahl. Tatkräftige Unterstützung bekamen wir vom Kreisstabführer Hasecke, der uns die ersten gut klingenden Töne beibrachte. Aber auch Kameraden vom Spielmannszug Höringhausen haben uns in hervorragender Weise unterstützt. Sehr oft sind wir nach Arolsen gefahren, um an den Übungsstunden des Spielmann- und Fanfarenzugs der Feuerwehr Arolsen teilzunehmen. Ich selbst habe im Anfang die Pauke geschlagen, später habe ich das Becken übernommen. 

 

Während der Generalversammlung im Jahre 1972 trat der Spielmannszug zum ersten Mal auf. Wir konnten nur 2 Märsche spielen, den Turnermarsch und den Kaiser-Wilhelm Marsch, es war ein ganz toller Erfolg, die Teilnehmer der Generalversammlung waren begeistert. Als Zugaben gefordert wurden, haben wir die beiden Märsche noch mal gespielt. Spontan wurden während der Versammlung 200 DM gesammelt und dem Spielmannszug übergeben mit der Bitte, dafür Fanfaren zu kaufen. Umgehend ist eine Abordnung nach Bad Gandersheim im Harz gefahren und hat in einem dortigen bekannten Musikhaus 10 Fanfaren gekauft. Unsere Fanfarenbläser waren zum Teil auch Mitglieder des Posaunenchors, sie brachten also das nötige Können mit, so dass die Fanfarenbläser schon recht bald auftreten konnten. Im Jahre 1973 hatte der Spielmanns- und Fanfarenzug bereits 30 Auftritte, unter anderem in Bad Wildungen, bei der Salatkirmes in Ziegenhain und in Padberg.

 

Die Auftritte waren meistens sonntags. Wir haben uns schon mittags versammelt, um rechtzeitig in den Auftrittsorten einzutreffen. Friedhelm Sauerland kam dann regelmäßig zu mir, um im Stall zu helfen, damit ich rechtzeitig fertig wurde. In den nächsten Jahren hatten wir zahlreiche Auftritte, oft auch zusammen mit dem Spielmanns- und Fanfarenzug Arolsen.

 

1976 richteten wir das 1. Kreis-Wertungsspielen aus. Zahlreiche Spielmanns- und Musikzüge waren bei uns zu Gast. Diese Veranstaltung war ein voller Erfolg, man hat noch lange davon gesprochen.

 

In den 90-er Jahren bekam der Spielmanns- und Fanfarenzug immer mehr Nachwuchssorgen, so dass der Spielbetrieb leider eingestellt wurde.

 

In meine Dienstzeit als Ortsbrandmeister / Wehrführer fielen das 40-jährige Jubiläum der Feuerwehr 1973 und das 50-jährige Jubiläum 1983, beides wurde im entsprechenden Rahmen festlich begangen.

 

Nach 22 Jahren an der Spitze der Feuerwehr als Ortsbrandmeister / Wehrführer stellte ich mich 1985 nicht mehr zur Wahl, Bernd Göbel wurde mein Nachfolger. Ich war weiterhin Mitglied der Einsatzabteilung. Zu meinem 60. Geburtstag im Jahre 1996 wurde ich nach den gesetzlichen Vorgaben aus der Einsatzabteilung verabschiedet und bin Mitglied der Alters- und Ehrenabteilung. Im Jahre 2000 wurde ich für 41 Jahre Vorstandsarbeit geehrt und zum Ehrenvorsitzenden ernannt.

 

Das 75-jährige Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr wurde zusammen mit dem 40-jährigen Bestehen der Jugendfeuerwehr im Jahre 2008 gefeiert. In diesem Zusammenhang veranstaltete die Feuerwehr auch ein Oldtimertreffen für Feuerwehrfahrzeuge.

 

Die Oldtimer-Freunde der Feuerwehr haben sich zur Aufgabe gemacht, den Opel-Blitz, die TS 8 Magirus-Goliath und weitere Geräte zu erhalten. Der Opel-Blitz hat vor einigen Jahren eine neue Lackierung erhalten. Die 6 Zylinder- Maschine ist noch gut in Ordnung. Das Fahrzeug ist zugelassen und wird regelmäßig TÜV geprüft. Jedes Jahr besuchen wir 2 bis 3 Oldtimertreffen in Hessen und auch darüber hinaus. Seit etwa 25 Jahren werden der Opel-Blitz und die anderen Geräte bei mir im Maschinenschuppen untergestellt. 2007 wurde von Walter Köhler für den bisher nach einer Seite offenen Schuppen ein Tor mit 2 Flügeln gebaut, so dass die Gerätschaften jetzt vor Wind und Wetter geschützt sind.

 

Bei Ebay ersteigerten wir einen offenen TS 8 Anhänger für unsere Magirus Goliath von der Feuerwehr Saulheim für 118 €. Mit dem Opel Blitz haben wir den Hänger in Saulheim, südlich von Mainz, abgeholt. Wir haben dort auf Einladung der örtlichen Feuerwehr an einem Weinfest teilgenommen und sind am nächsten Tag wieder zurückgefahren.

 

Im Jahre 1957 wurde auf Betreiben von Walter Wilhelm und Willi Schäfer eine Landjugendgruppe gegründet. Bei der Gründungsversammlung am 23. Mai 1957 im Schulsaal waren der Schulleiter Pachale, als Vertreter des Ortsbauernverbandes Wilhelm Schäfer (mein Vater) und einige Vertreter der Landjugend-Kreisgruppe anwesend. 17 Jungen und Mädchen wurden spontan Mitglieder der Ortsgruppe.

 

Anschließend wurden gewählt:

 

Ortsjugendwart                         Willi Schäfer

 

Stellvertreter                             Walter Wilhelm 

 

Ortsjugendwartin                      Annemarie Müller

 

Stellvertreterin                          Margret Wilhelm

 

Die Mitgliederzahl wuchs sehr schnell, schon bald hatten wir 35 Mitglieder, auch Jungen und Mädchen aus Strothe und Alraft.

 

Wir haben viele Volkstänze und Sketche eingeübt und auf Veranstaltungen vorgeführt. Mehrfach haben wir die Pantomime „Das Denkmal“ in anderen Orten vorgeführt und hatten großen Erfolg damit. In Meineringhausen selbst haben wir im Saal des Gasthauses Kalhöfer gut besuchte Dorfabende gestaltet. Eine Busfahrt führte uns zur Rhön. Auf der Rückfahrt gab es ein Treffen mit der Homberger Landjugend im Gasthaus Lauterbach in Holzhausen.

 

Nach einigen Jahren ließ das Interesse der Jugendlichen nach, die Aktivitäten wurden eingestellt.

Im Winterhalbjahr 1957/58 habe ich bei der Baufirma Bödicker aus Eschwege innerhalb des Conti-Werks gearbeitet. Meine Eltern waren in der Lage, die anfallenden Arbeiten des landwirtschaftlichen Betriebs über Winter allein durchzuführen. Die Arbeit auf der Baustelle war sehr anstrengend. Vieles wurde noch in Handarbeit ausgeführt. An zahlreichen Abrissarbeiten, Umbauten und Neubauten innerhalb des Conti-Geländes war ich beteiligt. Insgesamt viermal war ich während der Wintermonate bei der Firma Bödicker beschäftigt. Der Stundenlohn betrug 1,80 DM, jede Woche am Freitag wurden 80 DM als Abschlag in der Lohntüte bar ausgezahlt, den Rest gabs mit der Monatsabrechnung. Gearbeitet wurde täglich 9 bis 10 Stunden, samstags 5 Stunden. Wenn der Polier mal mitteilte, dass die Stundenzahl reduziert werden sollte, gab es Proteste bei den Beschäftigten, denn weniger Stunden bedeutete auch weniger Geld in der Lohntüte. Von dem verdienten Geld kaufte ich Geräte für unsere Landwirtschaft, unter anderem eine Gerätekombination mit Anbauegge, Hackmaschine und Kartoffellegeeinrichtung von der Firma Rau. In der Zeit als Bauhelfer bei der Fa. Bödicker habe ich viel gelernt, was mir bei unseren späteren Bauvorhaben zu Gute kam. Lange Zeit habe ich mit dem Maurer Karl Hochbein aus Meineringhausen zusammen gearbeitet, da habe ich mir viel abgeguckt. Mauern, Verputzen, Betonarbeiten, Estricharbeiten, Fliesen legen, alles das hatte ich mir angeeignet und zu Hause immer wieder ausgeführt. In den folgenden Jahren habe ich noch einmal in den Wintermonaten bei der Firma Mauser gearbeitet und einmal habe ich Briefzustellung bei der Post in Korbach gemacht. Bei der Post hätte ich eine Festanstellung bekommen können. Damals habe ich das abgelehnt, aus späterer Sicht war das sicher falsch. Aber damals konnte man die Entwicklung in der Landwirtschaft nicht voraussehen.

 

Das Jahr 1959 war für mich ein ganz besonderes Jahr, denn wir kauften ein Auto, und zwar einen 2 Jahre alten VW Export mit 30 PS und Schiebedach. Meine Freude war riesengroß, ich war grad mal 23 Jahre alt und hatte ein Auto. Über 10 Jahre habe ich den VW Käfer gefahren. In dieser Zeit hatten nur ganz wenige Jugendliche ein Auto, und so fanden sich immer viele Freunde, die am Wochenende mit mir auf Tour gingen. Man traf sich in der Gastwirtschaft Kalhöfer, suchte sich ein Ziel aus und ab gings. Ein beliebtes Ziel war damals die Ski-Hütte von Sepp Weiler in Willingen, dort sind wir oft hingefahren. Aber beim Sepp Weiler war das Bier damals schon verhältnismäßig teuer, und deshalb sind wir unterwegs in Gastwirtschaften eingekehrt und haben einige Bier getrunken, damit wir schon etwas in Stimmung waren, wenn wir in der Skihütte ankamen. Es war immer von Vorteil, wenn Werner Vallbracht (Schreiner) mit uns unterwegs war. Der Werner brachte es mit Leichtigkeit fertig, keinen Alkohol zu trinken, und so hat er uns mit meinem Auto immer heil nach Hause gebracht. Ein weiteres beliebtes Ziel war Obernburg. Da gab es 2 Gaststätten, die wir sehr oft besuchten. Nach reichlichem Biergenuss konnten wir dann über Feldwege nach Hause fahren. Dabei kam es schon mal vor, dass wir Heukegel oder Getreidehaufen mit dem Auto platt machten. Einmal hatten wir am Koppelberg auf dem Feld von Kreugers (Heinemann) mit dem VW-Käfer 2 Kleeböcke umgefahren. Das war am anderen Tag Dorfgespräch, aber keiner wusste, wer das gewesen war. In der nächsten Nacht haben wir dann gemeinsam den Klee wieder aufgebockt.

 

Aber auch auf vielen Urlaubsfahrten war der VW-Käfer ein zuverlässiger Begleiter. Jeweils mit 2 Freunden war ich unterwegs in Italien, Oesterreich und in der Schweiz. Der VW war dann voll ausgelastet mit Gepäck für 3 Personen, Zelt, Tisch, Stühlen und Gerätschaften zum Kochen. Gezeltet haben wir unter anderem in Jesolo (Italien), Berchtesgaden, Mittenwald. Diese Fahrten mit VW-Käfer und Zeltausrüstung sind unvergessen. Und der Käfer lief und lief, er bewältigte mühelos vollbeladen die Alpenpässe. Viele große Pkws, vor allem die riesigen amerikanischen Personenwagen, standen am Straßenrand und qualmten. 

 

Im Januar 1968 stellte sich heraus, dass der Brunnen der örtlichen Wasserversorgung im Langen Grund mit Kolibakterien verseucht war. In einer öffentlichen Gemeinderatssitzung wurde dieses Thema zur Sprache gebracht. Es wurden äußerst heiße und leidenschaftliche Diskussionen geführt, da die Aufsichtsbehörde die Gemeinde zum Anschluss an den Wasserverband Höringhausen/Waroldern zwingen wollte. In der Tat wollte es den Einwohnern von Meineringhausen nicht in den Kopf, dass man diese erst vor einigen Jahren mit großem Kostenaufwand gebaute Anlage schließen wollte, zumal man noch 2 Jahre zuvor die Gemeinden Obernburg und Marienhagen angeschlossen hatte. Auch einige Gemeinderatsmitglieder wollten zunächst die Ursache für die Verseuchung erforschen. Deshalb wurde ein Vorschlag von Ortsbrandmeister Willi Schäfer aufgegriffen, den Brunnen von der Feuerwehr leer pumpen zu lassen und einige Stunden leer zu halten, um eventuelle undichte Stellen im Brunnenschacht festzustellen, durch die Oberflächenwasser eindringen könnte. 8 Kameraden unserer Wehr, welche am 03. Februar zunächst eine karnevalistische Veranstaltung des TSV besucht hatten, starteten nachts um ½ 1 Uhr mit dem LF 8 in Richtung „Langer Grund.“ Zunächst wurden 1000 Liter Wasser, welches mit einer äußerst starken Spezialfarbe gemischt war, um die Pumpstation auf den Erdboden geschüttet, damit man das Durchsickern von Oberflächenwasser hätte feststellen können. Nachdem unsere TS 8 in Verbindung mit einem von der Feuerwehr Korbach geliehenen Tiefsauggerät und die installierten elektrischen Pumpen 4 Stunden gearbeitet hatten, war der Wasserstand im Brunnenschacht bis auf ½ m gefallen, sodass wir nur noch den Zulauf absaugen mussten. Bei dieser Gelegenheit konnten wir erleben, welche großen Wassermengen diese Quelle liefert. Wenn unsere Pumpe nur für kurze Zeit aussetzte, mussten wir den Brunnenschacht schnellstens verlassen. Als wir den Brunnen ausreichend beleuchtet hatten, stellten wir fest, dass man die Verseuchung durch Oberflächenwasser mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen konnte. Außerdem konnten wir feststellen, dass durch ein Überlaufrohr, welches zur vorbeifließenden Lauterbach führt, größere Mengen Schmutzwasser in den Brunnen fließen konnten, und das war der Grund der Verseuchung. Der Einsatz war am Sonntagmorgen um 11 Uhr beendet. Unsere TS 8 hat bei dieser Aktion ca. 60 Liter Benzin verbraucht. Nachdem das Überlaufrohr mit einer Blindkupplung verschlossen war, hat die Feuerwehr mit Hilfe von 2 Unterwasserpumpen den Brunnen nochmals geleert, die Stollenwände wurden abgewaschen und gechlort. Der Brunnen wird heute, im Jahr 2016, noch genutzt.